Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderweitige Rechtshängigkeit. Notwendige Beiladung. Örtliche Zuständigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Klage gegen eine Statusfeststellung ist unzulässig, wenn über die Sache bereits bei einem anderen Sozialgericht ein Verfahren anhängig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger des zweiten Verfahrens am anderweitigen ersten Verfahren (noch) nicht beteiligt ist, vorausgesetzt, er ist dort gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; GVG § 17 Abs. 1; SGG §§ 57, 75 Abs. 2, § 94; SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.11.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anfrageverfahren zum Status des Klägers während seiner Tätigkeit für die Beigeladene.

Der 1952 geborene Kläger ist Anästhesist und übt diesen Beruf aus als niedergelassener Arzt mit eigener Praxis in H. . Zudem arbeitete er im Jahr 2002 in einer der Kliniken der Beigeladenen, dem Krankenhaus W., als Urlaubs- und Verhinderungs-Vertretung der dort beschäftigten Anästhesistin. In dieser Tätigkeit wurde er gemäß Vertrag mit der Beigeladenen vom 11.01.2002 nicht als Arbeitnehmer, sondern als Selbständiger behandelt. Um diesen Status klären zu lassen, stellte der Kläger am 12.08.2001 bei der Beklagten einen entsprechenden Antrag. Mit Bescheid vom 10.06.2002/Widerspruchsbescheid vom 06.07.2004, beide sowohl dem Kläger als auch der Beigeladenen gegenüber erlassen, entschied die Beklagte auf eine abhängige Beschäftigung. Zum 01.01.2003 änderten die Beigeladene und der Kläger die Vertragsbeziehungen dahingehend, dass der Kläger zusammen mit einem Kollegen in Form einer BGB-Gesellschaft Vertragspartner der Beigeladenen wurde und er die Anästhesie-Leistungen nicht mehr höchstpersönlich schuldete.

Gegen die Statusentscheidung der Beklagten haben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene Klage erhoben. Der Kläger hat sich an das für ihn örtlich zuständige Sozialgericht Bayreuth mit der dort am 02.08.2004 eingegangen Klage (Az: S 6 R 4248/04) gewandt, die Beigeladene an das für sie örtlich zuständige Sozialgericht Regensburg mit der dort am 28.07.2004 eingegangen Klage (Az: S 10 KR 258/04). Das Sozialgericht Regensburg hat den Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht beigeladen. Es hat auf Antrag der dortigen Beteiligten Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 30.09.2004) und gemäß Aktenordnung nach 6-monatigem Ruhen als erledigt ausgetragen (Abschlussverfügung vom 13.04.2005).

Mit Urteil vom 29.11.2006 hat das Sozialgericht Bayreuth die Entscheidung der Beklagten aufgehoben und ein abhängiges, versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers festgestellt.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.11.2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2004 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Regensburg (Az: S 10 258/04). Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 141, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch begründet. Das Sozialgericht war nicht berechtigt, die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben, weil die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig war.

Im Einverständnis aller Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 124 Abs. 2 SGG.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2004. Dieser ist zugleich Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Regensburg (Az: S 10 258/04). Es handelt sich insoweit nicht um zwei verschiedene Entscheidungen der Beklagten, sondern um eine einzige, die gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen ergangen ist. Diese Entscheidung, die die Beklagte gem. § 7a SGB IV zu treffen hat, besagt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Vertreter der festangestellten Anästhesistin des Klinikums W. Beschäftigter der Beigeladenen gem. § 7 Abs. 1 SGB IV ist - jedenfalls in der Zeit bis 31.12.2002, als der Kläger höchstpersönlich zur Leistungserbringung verpflichtet war.

Gegen diese Entscheidung hat die Beigeladene Klage zum Sozialgericht Regensburg (Az: S 10 258/04) erhoben, die dort am 28.07.2004 eingegangen ist. Seither besteht dort Rechtshängigkeit der Sache. Die erst am 02.08.2004 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangene Klage (Az: S 6 R 4248/04) ist deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, §§ 94, 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 GVG (vgl. Pietrek in: jurisPK SGB IV, Stand der Aktualisierung vom 09.06.2006, § 7a SGB IV RNr. 144 unter Hinwe...

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