Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Vorrang des § 5 Abs 1 Nr 2 SGB 5 ggü § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5. Krankengeld. Fortbestand des Versicherungsschutzes. nahtloser Anschluss von Krankengeldansprüchen. § 46 S 2 und 3 SGB 5 nicht im Fall des Anschlusses einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer neuen Krankheit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V bei Bezug von Arbeitslosengeld ist grundsätzlich vorrangig gegenüber der Versicherung in der Krankenversicherung der Rentner nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V.
2. Für den Fortbestand der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ist eine Überschneidung der Krankengeldansprüche nicht erforderlich. Für den Fortbestand des Versicherungsschutzes ist es demnach erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die Krankengeldansprüche nahtlos aneinander anschließen. Eine Erstbescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit am Folgetag des Endes einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit ist ausreichend.
3. § 46 Sätze 2 und 3 SGB V erfasst nicht die Fälle des Anschlusses einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer neuen Krankheit.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Oktober 2020 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2020 verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 8. September 2019 hinaus bis einschließlich 9. Dezember 2019 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld über den 08.09.2019 hinaus bis 09.12.2019.
Der 1964 geborene Kläger und Berufungskläger war ab 05.04.2019 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten über den Bezug von Arbeitslosengeld I durch die Beigeladene versichert. Er bezieht inzwischen eine Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger erkrankte am 10.01.2019 nach Exazerbation einer seit 2009 bekannten exogen allergischen Alveolitis im Dezember 2018 und bezog bis 05.04.2019 von der Beklagten und Berufungsbeklagten Krankengeld mit den Ausgangsdiagnosen Thoraxschmerz, Kopfschmerz, Störung der Atmung und akute Tonsilitis, im weiteren Verlauf einer Neurasthenie. Mit Bescheid vom 27.03.2019 stellte die Beklagte den Bezug von Krankengeld ab 05.04.2019 ein. Bestätigt wurde dies durch eine Stellungnahme vom 11.04.2019 und ein Kurzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17.04.2019, nach der noch eine leichte körperliche Tätigkeit zumutbar sei. Es bestünden eine exogene allergische Alveolitis mit intermittierend obstruktiver Ventilationsstörung, darüberhinaus ein Kopfschmerz, Leistenschmerz, eine Synovialzyste im Bereich der Kniekehle (Baker-Zyste), ein Thoraxschmerz ohne organisches Korrelat, eine Lymphknotenschwellung am Hals sowie ein Verdacht auf eine hypochondrische Störung. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 zurück.
Vom 10.06. bis 01.07.2019 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im N Klinikum B. Er wurde arbeitsunfähig entlassen - vorübergehend auch wegen pneumologischer Einschränkungen; eine Arbeitsfähigkeit sei aber innerhalb von vier Wochen zu erwarten (Reha-Entlassungsbericht vom 22.07.2019). Der Orthopäde K stellte mit Erstbescheinigung vom 02.07.2019 Arbeitsunfähigkeit wegen einer Baker-Zyste, Wirbelsäulenbeschwerden und Meniskusschaden zunächst voraussichtlich bis 19.07.2019 fest. Weitere AU-Bescheinigungen liegen bis 09.12.2019 vor. Vom 02.07.2019 bis 12.08.2019 leistete die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene) Arbeitslosengeld im Rahmen der Leistungsfortzahlung. Wegen bescheinigter Arbeitsunfähigkeitszeiten bezog der Kläger von der Beklagten Krankengeld bis 08.09.2019.
Mit Erstbescheinigung vom 09.09.2019, ausgestellt vom Praxiszentrum M, wurde Arbeitsunfähigkeit vom 09.09. bis 27.09.2019 festgestellt wegen einer Somatisierungsstörung (F45.0 G) und einer allergischen Alveolitis (J67.9 G). Folgebescheinigungen wegen Arbeitsunfähigkeit folgten bis 09.12.2019. Ab dem 10.12.2019 stellte sich der Kläger der Beigeladenen wieder wegen einer Arbeitsaufnahme zur Verfügung.
Die Beklagte teilte der Beigeladenen mit Schreiben vom 12.09.2019 mit, dass der Kläger vom 02.07.bis 08.09.2019 arbeitsunfähig erkrankt sei; bei der Arbeitsunfähigkeit ab 09.09.2019 handele es sich um eine neue Krankheit mit entsprechendem neuen Leistungsfortzahlungsanspruch. Der Kläger erhob Widerspruch; im Widerspruchsverfahren teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass Leistungsfortzahlung bereits bis 12.08.2019 gewährt worden sei. Eine andere Erkrankung würde keinen neuen Anspruch auf Leistungsfortzahlung auslösen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 zurück. Hiergegen ist seit 05.11.2019 eine Klage am Sozialgericht Regensburg anhängig (S 14 KR 1439/19).
Im einem Verfahren des einstweil...