Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldes. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. mündliche Eigenkündigung. Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes. unverschuldeter Rechtsirrtum. Verkürzung der Dauer der Sperrzeit wegen besonderer Härte. Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Verhältnis von Arbeitszeit zu Fahrtzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt kein wichtiger Grund für eine Arbeitsaufgabe vor, wenn sich der Arbeitnehmer über das Vorliegen eines solchen Grundes irrt und er objektiv nicht vorliegt.
2. Spricht ein Arbeitnehmer mehrfach bei der Agentur für Arbeit vor und weist auf die aus seiner Sicht unerträglichen Arbeitsbedingungen sowie eine von seinem Arbeitgeber behauptete, angeblich nicht zutreffende, mündliche Arbeitnehmerkündigung hin, kann im Falle eines fehlenden Hinweises der Agentur für Arbeit auf den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe im Einzelfall eine besondere Härte vorliegen.
Normenkette
SGB III a.F. § 144 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 2, § 128 Abs. 1 Nr. 4
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.10.2013 wird abgeändert. Der Bescheid vom 04.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2012 wird aufgehoben, soweit das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld über den 06.04.2012 hinaus und die Minderung der Restanspruchsdauer über 42 Tage hinaus festgestellt worden ist. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 04.04.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 07.04.2012 bis 18.05.2012 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit vom 25.02.2012 bis 18.05.2012 wegen Arbeitsaufgabe.
Der Kläger war ab dem 13.02.2012 (Montag) als Lagerhelfer für die Firma P. Personalmanagement (P) im Rahmen eines Zeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 13.02.2012 handelte es sich um ein bis 10.08.2012 befristetes Arbeitsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Für die Regelung der Arbeitszeit war als Grundlage § 4 MTV BZA und die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos vereinbart. Nach einer Übersicht über die Arbeitszeiten in der Woche vom 13.02.2012 bis 19.02.2012 arbeitete der Kläger insgesamt 29,58 Stunden. Für den Zeitraum vom 13.02.2012 bis 24.02.2012 wurden insgesamt 48,08 Stunden abgerechnet.
Am 21.02.2012 (Dienstag) sprach der Kläger bei der Beklagten vor. Er sei mit seinem Beschäftigungsverhältnis nicht zufrieden. Laut Arbeitsvertrag gelte eine 35-Stunden-Woche, bis jetzt habe er aber immer viel weniger Stunden gearbeitet. Insofern seien die Kosten für den weiten Weg für ihn nicht tragbar. Er wolle eine andere Stelle haben. Am 22.02.2012 (Mittwoch) sprach er bei seiner Arbeitsvermittlerin erneut vor. Nach einer selbst angefertigten Liste zu den tatsächlichen Arbeitszeiten komme er auf nur 20 Stunden pro Woche. Dies könne er aus finanziellen Gründen nicht länger durchführen. Es wurde erneut eine Meldung als arbeitssuchend aufgenommen und ihm ein Vermittlungsvorschlag im Lagerbereich ausgehändigt.
Der Kläger meldete sich am 27.02.2012 (Montag) bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg). Ausweislich der Arbeitsbescheinigung von P habe der Kläger am 24.02.2012 das Arbeitsverhältnis selbst beendet. Der Kläger legte ein Schreiben von P vom 24.02.2012 (Freitag) vor, worin eine mündliche Kündigung des Klägers vom 24.02.2012 bestätigt wird. Zu der angeblichen Arbeitsaufgabe führte der Kläger aus, es sei eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden vereinbart gewesen. Er sei aber an jedem Tag nur von 16.00 bis 20.00 Uhr zum Einsatz gekommen. Am Montag sei er dann angerufen worden, er solle seine Kündigung unterschreiben. Diese habe er nicht unterschrieben sondern gesagt, er brauche das nicht, wenn die Firma kündige. Die Beklagte stellte darauf mit Bescheid vom 04.04.2012 den Eintritt einer Sperrzeit vom 25.02.2012 bis 18.05.2012 fest. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei P durch eigene Kündigung selbst gelöst und hätte voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Der Anspruch auf Alg mindere sich um 84 Tage. Mit Bewilligungsbescheid vom 04.04.2012 bewilligte die Beklagte Alg (erst) ab 19.05.2012 iHv 21,97 € täglich. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe nicht selbst gekündigt, sondern sei von P angerufen worden, er möge die Kündigung unterschreiben. Vor Zusendung der Kündigung habe er bei der Beklagten vorgesprochen. Es sei ihm gesagt worden, er dürfe die Kündigung nicht selbst unterschreiben. Im Rahmen einer von P eingeholten Stellungnahme führte deren Mitarbeiter M. R. (R) aus, der Kläger habe am 24.02.2012 um ca. 19.45 Uhr seine Schicht verlassen. Die Einsatzfirma habe angegeben, der Kläger kündige und möchte diese Arbeit nicht mehr ausführen. Daraufhin habe man dem Kläger e...