Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. innerer Zusammenhang. Handlungstendenz. geringfügige Abweichung. Geldabheben. Nachhauseweg. 100 m Verlängerung gegenüber dem kürzesten Weg

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen eines Wegeunfalles, wenn ein Arbeitnehmer auf dem nicht kürzesten Nachhauseweg (Differenz von 100 m) verunglückte, und diesen Weg deshalb wählte, um an einem Bankautomaten Geld zu ziehen.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Nürnberg (Urteil vom 08.05.2001; Aktenzeichen S 6 U 98/00)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.06.2003; Aktenzeichen B 2 U 40/02 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.05.2001 sowie der Bescheid des Beklagten vom 08.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2000 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 13.08.1999 als Arbeitsunfall dem Grunde nach anzuerkennen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Strittig ist die Anerkennung und Entschädigung eines Verkehrsunfalles als Arbeitsunfall/Wegeunfall.

Der ....1981 geborene Kläger fuhr am 13.08.1999 gegen 13.30 Uhr mit seinem Leichtkraftrad in G auf der Lstraße Richtung stadteinwärts. Als er einen PKW, der rechts an den Fahrbahnrand gefahren war, überholte, scherte der PKW plötzlich nach links aus, so dass er mit dem Kläger zusammenstieß. Der Kläger stürzte und zog sich einen Sprunggelenks- und Innenmeniskusbruch links sowie diverse Prellungen zu (Durchgangsarztbericht Dr.P, 16.08.1999). Der Kläger hatte sich nach Arbeitsende um 12.30 Uhr zunächst auf den direkten Weg vom Bauhof im G Ortsteil A zu seinem Wohnort in F begeben. Nach einem kurzfristigen privat bedingten Aufenthalt in der Nstraße hatte er sich gegen 13.20 Uhr wieder auf den direkten Nachhauseweg über die Sstraße begeben. An der Kreuzung Hstraße verließ er den kürzesten Weg und schlug die Lstraße ein. Diese ist eine unbeampelte Vorfahrtsstraße bis sie als Lstraße wieder auf die F Straße stößt. Durch diesen Umweg hätte sich die Wegstrecke ab Hstraße von 1.600 m auf 1.700 m verlängert. Der Kläger hatte diesen Weg gewählt, weil er geplant hatte, an einem kurz hinter der Unfallstelle liegenden Sparkassenautomaten Geld abzuheben.

Mit Schreiben vom 08.12.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe den direkten Weg von der Arbeitsstätte nach Hause verlassen, um die Sparkasse aufzusuchen und damit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Unfall habe sich ereignet nach Verlassen des Schutzbereiches der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass er nicht als Arbeitsunfall anerkannt und entschädigt werden könne. Ein hiergegen gerichteter und mit der Geringfügigkeit der Wegeabweichung begründeter Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.02.2000).

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalles vom 13.08.1999 zu verurteilen. Er hat zur Begründung vorgetragen, der Weg über die Lstraße sei nur ein geringer Umweg und damit ein üblicher Weg gewesen. Das Aufsuchen der Sparkasse sei wegen der nur geringfügig verlängerten Wegstrecke und der nur sehr kurzen Dauer des geplanten Geldabhebens nicht geeignet, den unfallrechtlichen Schutz des Nachhausewegs entfallen zu lassen. Das SG hat mit Urteil vom 08.05.2001 die Klage abgewiesen, weil der Kläger den direkten Weg verlassen habe, um einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit der Begründung, er habe sich nicht vom versicherten Weg gelöst. Der streckenmäßig nur geringe Umweg und die zeitlich nur geringe Verlängerung des Nachhauseweges könnten nicht dazu führen, dass sich der Kläger von dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gelöst habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG vom 08.05.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.12.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Arbeitsunfall vom 13.08.1999 als Arbeitsunfall dem Grunde nach anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 08.05.2001 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beklagtenakten beigezogen. Mit diesen Akten -- insbesondere auf die Mehrfarben-Landkarte von Fahrtweg und Unfallort Blatt 21 -- sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigung des Unfalles vom 13.08.1999 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge versicherter Tätigkeit. Zu den versicherten Tätigkeiten zählt auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit ( § 8 Abs 1 Satz 2 Ziff 1 SGB VII ). Allerdings hat d...

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