Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit. Arbeitsablehnung. Bewerbungsschreiben. Wahrheitsgemäße Darstellung der Berufsbiografie. Vorstrafen. Kausalität
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Arbeitsloser ein Bewerbungsschreiben abgeschickt, ist dieses Schreiben aber nicht beim potenziellen Arbeitgeber eingegangen, so tritt keine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung ein, unabhängig davon, welchen Inhalt das Schreiben hat.
2. Ein Arbeitsloser darf in seinem Bewerbungsschreiben auf etwaige Vorstrafen hinweisen, sofern sie noch im polizeilichen Führungszeugnis aufzunehmen sind.
Normenkette
SGB III § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 198 S. 2 Nr. 6
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Juli 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2001 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Eintritts einer Sperrzeit vom 23.08.2001 bis 14.11.2001 und die damit verbundene Rückforderung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1.176,86 DM.
Der 1946 geborene Kläger war zuletzt vom 24.01.1983 bis 29.09.1989 in der Justizvollzugsanstalt W. inhaftiert. Während der Haft arbeitete er als Schlosserhelfer. Danach meldete er sich beim Arbeitsamt arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe, unterbrochen von einer Tätigkeit als Gehilfe vom 01.05.1994 bis 25.07.1994, zuletzt in Höhe von 216,79 DM wöchentlich.
Ein Arbeitsangebot vom 05.06.1997 führte nicht zur Beendigung der Arbeitslosigkeit. Am 21.08.2001 wurde dem Kläger durch das Arbeitsamt R. eine Arbeitsstelle als Inventuraushilfe bei der Firma Inventur Z. mit Rechtsfolgenbelehrung angeboten. Der Arbeitgeber teilte auf Nachfrage am 31.08.2001 mit, dass sich der Kläger nicht beworben habe. Daraufhin wurde der Kläger angehört. Er teilte am 23.09.2001 mit, dass er sich am 22.08.2001 schriftlich beworben habe. Auf seine schriftliche Bewerbung habe er von der Firma Inventur Z. keine Nachricht erhalten. Er legte eine Durchschrift seines Bewerbungsschreibens vom 22.08.2001 vor, das wie folgt lautete:
"Sehr geehrter Herr M., das Arbeitsamt R. teilte mir mit, dass sie eine Inventuraushilfe für den Bereich R. und Umgebung suchen. Wenn eine Beschäftigung trotz gesundheitlicher Einschränkungen (Bronchial-Asthma, LWS-Schaden und Leistenbrüche) sowie diverse Vorstrafen (auf die ich momentan noch nicht eingehen möchte) doch in Betracht kommt, dann teilen Sie mir dies bitte mit. Sie können mich telefonisch unter folgender Rufnummer erreichen: ... Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören. Mit freundlichen Grüßen".
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 11.10.2001 eine zwölfwöchige Sperrzeit für die Zeit vom 23.08.2001 bis 14.11.2001 mit der Begründung fest, dass der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen das Zustandekommen eines vom Arbeitsamt angebotenen Beschäftigungsverhältnisses als Inventuraushilfe bei der Firma Z. Inventur durch sein Verhalten vereitelt habe. Er habe sich laut schriftlicher Mitteilung des Arbeitgebers nicht beworben. Gleichzeitig wurde der Kläger zur Erstattung der bereits ausgezahlten Alhi in Höhe von 1.176,86 DM aufgefordert.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich schriftlich bei der Firma beworben. Das Bewerbungsschreiben sei von seiner Nachbarin am 23.08.2001 in den Postkasten am Postamt T. eingeworfen worden. Ein Rücklauf der Post sei bis heute nicht erfolgt.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 20.11.2001). Das Sozialgericht (SG) hat die am 12.12.2001 erhobene Klage abgewiesen. In seinem Urteil vom 18.07.2003 hat es ausgeführt, der Kläger habe die ihm angebotene Arbeit nicht angenommen. Dabei könne es dahinstehen, ob er das in Kopie vorgelegte Bewerbungsschreiben abgesandt oder ob er sich mit dem Arbeitgeber überhaupt nicht in Verbindung gesetzt habe. Denn auch wenn man zu seinen Gunsten eine Absendung unterstelle, liege eine Vereitelung des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses vor, weil er den Brief so abgefasst habe, dass lediglich seine negativen Eigenschaften aufgezählt werden, mit dem Ziel, den Arbeitgeber von einer Einstellung abzubringen. Der Kläger habe die Pflicht gehabt, sich bei dem Arbeitgeber als interessierter Stellenbewerber zu geben, jedenfalls nicht von sich aus Äußerungen zu tun, von denen er annehmen musste, dass sie den Arbeitgeber von einer Einstellung abhalten.
Mit der am 06.10.2003 eingelegten Berufung wendet der Kläger insbesondere ein, dass seine Wahrheitspflicht, die er auf Grund arbeitsrechtlicher Grundsätze bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses habe, weiter gehe als die Loyalität gegenüber der Versicherungsgemeinschaft im Bezug auf seine Vermittelbarkeit in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Da das Fernziel der Vermittlung die Ermöglichung einer nichtselbständigen Tätigkeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sei, habe de...