Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kosten für Hautstraffungen nach einer Operation zur Magenverkleinerung (postbariatrische plastische Operation)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entfernung einer Hautschürze ist nicht als grundsätzlich notwendige Folge einer Operation zur Magenverkleinerung anzusehen.
2. Überschüssige Haut z.B. an Oberschenkeln, Oberarmen und Brüsten aufgrund Gewichtsverlustes nach einer bariatrischen Operation stellt für sich genommen keinen krankhaften Befund oder regelwidrigen Körperzustand dar.
3. Eine Entfernung überschüssiger Hautlappen aus dermatologischen Gründen kommt nur in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten.
4. Zur Erstattung der Kosten für eine Hautstraffung an Oberschenkeln bei Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet.
5. Zum Vorliegen einer Entstellung bei Hautschürzen.
Orientierungssatz
Bei einer Schürzenbildung im Bereich der Oberschenkel liegt eine Entstellung vor, wenn die Hautlappen an den Oberschenkelinnenseiten in der Öffentlichkeit auch im bekleideten Zustand erheblich auffallen, weil diese Hautfettschürzen und die durch diese bedingten deutlichen Bewegungseinschränkungen und weichteilbedingten Gangstörungen insbesondere in Bewegung deutlich sichtbar sind.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25. März 2019 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2018 verurteilt, die Kosten für die durchgeführte Oberschenkelstraffung in Höhe von 6.557,19 Euro zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt von der Beklagten und Berufungsklägerin zum einen die Erstattung der Kosten einer Oberschenkelstraffung und zum anderen die Kostenübernahme für eine Brust- und Oberarmstraffung nach starker Gewichtsabnahme in Folge einer bariatrischen Operation im Februar 2017 (Magenverkleinerung).
Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 28.08.2017 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die "Wiederherstellung" nach einer Gewichtsreduzierung von ca. 90 kg. Die überschüssige Haut sei hinderlich und reibe am Körper, es komme zu Hautentzündungen. Sie legte ein ärztliches Attest des I-Klinikums A-Stadt, Plastische Chirurgie, vom 22.08.2017 mit Fotodokumentation vor, nach dem bei einer Hautschürzenbildung nach Gewichtsabnahme im Bereich des Abdomens, der Brust, der Oberarme und Oberschenkel nach zunächst durchgeführtem Hernienverschluss mit Entfernung der Haut-Fettschürze eine Oberschenkel-, Oberarm- und Bruststraffung erfolgen sollte. Die nässenden und schmerzhaften Ekzeme beeinträchtigten die Klägerin in ihrem Bestreben, das Körpergewicht durch sportliche Tätigkeit konstant zu halten.
Die Beklagte holte, nach Information der Klägerin, eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 15.09.2017 zu dem Ergebnis, es lägen Narbenhernien abdominal sowie Cutis laxa (Faltenbildung der Haut) nach Gewichtsverlust abdominal, Oberschenkel, Oberarme und Mamma bds. aufgrund einer Gewichtsabnahme bei Z.n. Magenballon 2013 und 2015 sowie Magenverkleinerung 2017 vor. Die beantragten Maßnahmen seien aus kosmetischer Sicht nachvollziehbar, es handle sich aber nicht um Erkrankungen im Sinne des SGB V. Eine indikationsbegründende dermatologische, therapierefraktäre Situation bestehe, wenn trotz Dauertherapie über vier bis sechs Wochen während zweier Jahreszeiten keine Befundbesserung eintrete. Dies könne hier nicht nachvollzogen werden. Eine medizinische Indikation für die beantragte Oberschenkel-, Oberarm- und Bruststraffung liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 27.09.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie legte ein fachärztliches Attest des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. M. vom 23.10.2017 vor, nach dem bei der Klägerin die beiderseitige viertgradige Varusgonarthrose durch die massiven Hautlappen an den beiden innenseitigen Oberschenkeln sehr negativ beeinflusst werde. Die medialen Gelenkschmerzen hätten sich durch die weichteilbedingte Gangstörung stark verschlechtert. Eine plastische Korrektur würde sicher eine erhebliche Besserung bewirken.
Der MDK kam in seiner Stellungnahme vom 22.03.2018, für die ihm das Attest der plastischen Chirurgie mit Fotodokumentation sowie das fachärztliche Attest von Dr. M. vorlag, zu dem Ergebnis, es könne der Krankenkasse nicht empfohlen werden, dem Widerspruch stattzugeben. Er stellte folgende Diagnosen fest: Narbenhernie, Cutis laxa nach Gewichtsverlust abdominal, Oberschenkel und Oberarme, Ptosis beider Brüste, Varus-gonarthrose beidseits. Es ergäben sich unter Berücksichtigung de...