Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenkasse: Erstattung der Kosten einer immunologischen Kombinationstherapie eines Glioblastoma multiforme. Prüfung des Vorliegens einer Aussicht auf Erfolg bei einer alternativen Behandlungsmethode. Anforderungen an einen fiktionsfähigen Antrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V kann auch dann zu bejahen sein, wenn zwar keine Aussicht auf Heilung mehr besteht, wenn aber mit der Alternativbehandlung eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg im Sinne einer wenigstens positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die allerdings auch spürbar sein muss.
2. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines hinreichend bestimmten, fiktionsfähigen Antrags (BSG, 6. November, 2018, B 1 KR 20/17 R).
3. Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist es, die Krankenkassen zu einer zügigen Prüfung und Entscheidung anzuhalten, damit Versicherten erforderliche Krankenbehandlungen nicht unbotmäßig lange vorenthalten werden. Daran würde es vorbeigehen, wenn aufgrund eines z.T. prophylaktischen Antrags auf alle möglichen Therapiefacetten, die gegebenenfalls irgendwann irgendwie zum Einsatz kommen könnten (und im konkreten Fall auch über fünf Jahre nach Antragstellung teilweise noch nicht zum Einsatz gekommen sind), die Genehmigungsfiktion quasi als „Blanko-Bewilligung“ für lediglich potentielle künftige Leistungen eintreten würde.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.01.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Sachleistungsanspruch bzgl. einer Behandlung des Klägers mit Hyperthermie, Boswellia carterii (Weihrauch), onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei dem Arzt T sowie ein entsprechender Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch für bereits selbstbeschaffte Leistungen.
Der am 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2002 trat beim Kläger eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik auf. Eine kernspintomographische Abklärung ergab einen Tumor im linken unteren Frontallappen des Gehirns. Eine dem Kläger damals empfohlene Resektion wurde anschließend nicht durchgeführt. Erst nach einem erstmaligen Krampfanfall im Jahre 2014 und erneuter Abklärung erfolgte am 07.11.2014 die Resektion des linken Frontalpols. Die histologische Aufarbeitung des damals gewonnenen Materials ergab die Diagnose eines Glioblastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV. Anschließend wurde im Dezember 2014 und im Januar 2015 eine postoperative Radio-Chemotherapie durchgeführt und bis 16.02.2015 fand anschließend eine Rehabilitationsbehandlung statt; eine Temozolomid-Therapie erfolgte bis Mitte April 2015. Am 24.04.2015 begann der Kläger beim Herrn T (Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren) eine Hochdosis-Vitamin C-Therapie und am 15.06.2015 eine Therapie mit Boswellia carterii. Bei einer kernspintomographischen Untersuchung am 07.05.2015 wurde über eine diffuse Kontrastmittelanreicherung der Tumoranteile berichtet, bei einer weiteren derartigen Untersuchung am 06.08.2015 von einem Rückgang der signalgesteigerten kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteile und von einem insgesamt erfreulich stabilen Zustand ohne akuten operativen Handlungsbedarf. Es wurde aber aufgrund der großen verbliebenen Resttumoranteile die Fortführung der Therapie mit Temodal nach Normalisierung der Blutwerte empfohlen.
Mit Schreiben vom 12.06.2015 (eingegangen am selben Tag) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die streitgegenständliche Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei Herrn T. Dem Antrag lag ein Schreiben des Herrn T bei, in dem dieser den bisherigen Krankheitsverlauf des Klägers darlegte und seine Therapie vorstellte. Die Therapie habe kurativen Anspruch. Durch die Therapie könne die Krebsstammzelle vernichtet werden. Alle beantragten Therapiefacetten hätten eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation vorzuweisen. Es handele sich um ein immuntherapeutisches Gesamtkonzept. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag des Herrn T für die einzelnen Behandlungsbausteine. Wann, wie oft, wie lange, unter welchen Voraussetzungen oder in welcher Kombinatio...