Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. rückwirkende Bewilligung Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit. Einkommen oder Vermögen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Verfristung der Klage. Widereinsetzung wegen Krankheit. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
2. Ein Vermerk "zur Post gegeben am ..." Ist zur Bewirkung der Fiktion eine Zustellung nicht erforderlich.
3. Versichert die zuständige Sachbearbeiterin einer Arbeitsgemeinschaft unter Vorlage eines automatischen Vermerks im Computerprogramm glaubhaft, dass sie selbst den Widerspruchsbescheid am zur Post gegeben habe, ist auch ohne Absendevermerk eine Überzeugung davon begründet, dass zu diesem Zeitpunkt die Absendung erfolgt ist.
4. Bei der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist es unerheblich, wenn der Zugangstag auf einen Sonntag fällt. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X, nach dem die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, greift nicht unmittelbar ein, weil die Vorschrift nur den Ablauf der Frist regelt.
5. Der bloße Vortrag der Klägerin, sie sei unfallbedingt krank und bettlägerig, ist nicht ausreichend, um eine unverschuldete Versäumung der Klagefrist glaubhaft zu machen. Krankheit schließt ein Verschulden nur dann aus, wenn der Betroffene so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann. Die Rechtsprechung ist hier streng und erfordert eine solche schwere Erkrankung, die willens- und handlungsunfähig macht.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. März 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung und Verpflichtung zur Erstattung von Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II sowie Leistung für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum vom 18.04.2005 bis 31.03.2006 in Höhe von noch 4.867,10 Euro streitig.
Die 1955 geborene Klägerin bezog vom 18.04.2005 bis 31.03.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch den automatisierten Datenabgleich nach § 52 SGB II wurde am 30.06.2006 festgestellt, dass die Klägerin laufende Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) teilte der Beklagten mit, dass die Klägerin rückwirkend ab dem 01.01.2005 befristet bis 31.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit erhielt.
Mit Bescheid vom 21.03.2007 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf und forderte von der Klägerin insgesamt 6.093,70 Euro zurück. Der Beklagten sei von ihr nicht mitgeteilt worden, dass rückwirkend ab dem 01.01.2005 Rente bewilligt worden sei. Bei rechtzeitiger Mitteilung hätte die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegen die DRV geltend gemacht und die von der Beklagten gewährten Leistungen wären von der DRV an die Beklagte erstattet worden. Die Klägerin hätte Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).
Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2008 als teilweise unbegründet zurückgewiesen. Zu erstatten sei noch ein Betrag von 4.867,10 Euro, der sich aus den an die Klägerin geleisteten Zahlungen der Beklagten abzüglich einer Erstattung der RV aus der Rentennachzahlung vom 04.10.2006 in Höhe von 1.226,61 Euro ergäbe. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei für die Aufhebung auf den Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse abzustellen. Dieser läge mit der Rentenbewilligung ab dem 01.01.2005 vor. Die Klägerin habe damit ab dem 18.04.2005 bis 31.03.2006 für den gleichen Zeitraum Rentenleistungen sowie Leistungen der Beklagten erhalten. Bei der Aufhebung und Rückforderung handele es sich insoweit um eine gebundene Verwaltungsentscheidung, so dass für Ermessenserwägungen kein Raum bestünde (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III). Mit Schreiben vom 06.03.2008 (bei der Beklagten am 07.03.2008 eingegangen) bat die Klägerin die Beklagte um Wiedereinsetzung und nochmalige Überprüfung ihrer Entscheidung. Ihr seien Leistungen trotz entsprechender Anträge nicht bewilligt worden. Zurückzuzahlen hätte sie aus den schon vorgetragenen Gründen nichts. Dieses Schreiben wurde nach entsprechendem Hinweis der Beklagten, wie von der Klägerin am 03.04. sowie 04.05.2008 gewünscht, als Klage gewertet und an das Sozialgericht München weitergeleitet.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht München (SG) trug die Beklagte vor, die Klage sei schon verfristet und im Übrigen auch ...