Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Kindererziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht iS von § 44 Abs 1 SGB X richtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach Maßgabe der Rechtsnormen, die bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes zu beachten waren.
2. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist insoweit rechtswidrig iS der Vorschriften über die Rücknahme ein Verwaltungsakt, der auf einer später vom BVerfG rückwirkend für nichtig erklärten Gesetzesvorschrift beruht.
Orientierungssatz
§ 307d SGB 6 verstößt nicht gegen die Verfassung (vgl LSG München vom 15.3.2017 - L 19 R 218/16).
Normenkette
SGB VI § 307d; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.02.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zutreffend die Rechtmäßigkeit ihres Änderungsbescheides über die Regelaltersrente der Klägerin festgestellt hat, mit dem ein Zuschlag wegen Kindererziehung zuerkannt worden war.
Die 1946 geborene Klägerin ist die Mutter von vier Kindern - gemäß Versicherungsverlauf geboren in den Jahren 1970, 1974, 1981 und 1982 - und hat diese jeweils in den ersten Lebensjahren erzogen.
Auf den Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 06.04.2011 ab 01.05.2011 Regelaltersrente. Dabei wurden Kindererziehungszeiten für vier Kinder berücksichtigt, wobei diese nach § 249 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 30.06.2014 geltenden Fassung jeweils zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt endeten, da die Kinder sämtlich vor dem 01.01.1992 geboren waren. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Regelaltersrente der Klägerin wurde mit Bescheid vom 15.08.2014 mit Wirkung vom 01.07.2014 an neu berechnet, wobei ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung nach dem zum 01.07.2014 eingeführten § 307d SGB VI im Umfang von vier Entgeltpunkten zuerkannt wurde. Gegen diesen Bescheid, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hatte, legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Mit einem auf den 11.02.2016 datierten Schreiben, das am 15.02.2016 bei der Beklagten einging, stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich ihrer Altersrentenzahlung, da eine Ungleichbehandlung zu Müttern mit Geburten ab 1992 vorliege. Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.02.2016 weitere Erhöhungen der Rente aus Gründen der Kindererziehung ab, da dies über das geltende Recht hinausgehen würde und gemäß der Rechtsprechung auch verfassungsrechtlich keine Bedenken bestehen würden.
Der hiergegen am 03.03.2016 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Die Berechnung der Kindererziehungszeit und des Zuschlages sei gemäß der aktuellen Gesetzeslage erfolgt. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz sei nicht ersichtlich; die Anwendung einer Stichtagsregelung sei zulässig.
Zur Begründung der hiergegen am 06.06.2016 per Telefax zum Sozialgericht Bayreuth erhobenen Klage hat die Klägerin letztlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und eine Verletzung des Schutzes der Familie geltend gemacht. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb für die vor 1992 geborenen Kinder weniger als drei Jahre an Kindererziehungszeiten zuerkannt werden könnten. Auch die im Urteil des LSG Niedersachsen vom 04.11.2013 (Az. L 2 R 352/13) angesprochene zeitliche Streckung überzeuge nicht, da es der Verwaltungsvereinfachung gedient hätte, in einem einzigen Bescheid die gesamte Abänderung vorzunehmen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.02.2017 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe § 307d SGB VI im Fall der Klägerin zutreffend angewandt und die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere vier Entgeltpunkte für ihre vier Kinder. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus Verfassungsrecht. Art. 6 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip verpflichte den Gesetzgeber nur allgemein zum Familienlastenausgleich; der konkret geltend gemachte Anspruch lasse sich daraus nicht ableiten. Es liege auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, weder im Verhältnis zu ausschließlich Erwerbstätigen noch gegenüber denjenigen, die - bei niedrigerer Kinderzahl - Erwerbstätigkeit und Kindererziehung gleichzeitig geleistet hätten. Der Gesetzgeber sei der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgabe nachgekommen, mit jedem Reformschritt Nachteile der von der Stichtagsregelung betroffenen Familien zu verringern.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.03.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie hat mit Schriftsatz vom 28.04.2017 zunächst ihre bisherige Begründung wiederholt. Weiter hat sie vorgebracht, dass ein Wertungswiderspruch vo...