Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. … nach Arbeitgeberkündigung
Leitsatz (amtlich)
Nichtvorliegen von Gründen, die zu einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber berechtigt hätten, im Rahmen des Ruhens eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
Orientierungssatz
Nach § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung tatsächlich ausgesprochen hat. Maßgeblich ist alleine, dass der wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers materiell-rechtlich vorliegt, ohne dass es auf formelle Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung ankommt. Ebenso ist es unbeachtlich, wenn das Arbeitsverhältnis nach erfolgter außerordentlicher Kündigung durch Vergleich beendet wird.
Normenkette
SGB III § 158 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1, 3, S. 3, Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Sätze 1, 2 Fassung: 2011-12-20, § 137 Abs. 2 S. 1, § 157 Abs. 1, 3 Sätze 1-2; SGG § 134 Abs. 2 S. 1; BGB § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, § 626 Abs. 1; SGB X §§ 50, 115; StPO § 153 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.02.2016 abgeändert und die Bescheide vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 insoweit aufgehoben, als die Beklagte damit die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 aufgehoben bzw. abgelehnt hat.
Im Übrigen wird die Berufung in Bezug auf die geforderte Erstattung in Höhe von 5.588,51 € im Bescheid vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin 1/5 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 wegen der Zahlung von Arbeitsentgelt und Gewährung einer Entlassungsentschädigung sowie die Erstattung von 5.588,51 €.
Die 1969 geborene Klägerin war seit 01.10.1998 bei der Firma S. Deutschland AG (S.) beschäftigt. Mit Kündigungen vom 17.03.2011 bzw 28.03.2011 kündigte S. das Arbeitsverhältnis fristlos zum 17.03.2011 bzw 30.03.2011. Dabei legte sie den Verdacht zugrunde, die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Es sei zu erheblichen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Dekonfektionierung des Weihnachtsgeschäftes 2009 gekommen. So sei es bei Artikeln des Kunden "C.W." (CW) zu einer Fehlmenge von 21.000 € gekommen. Die Klägerin habe sich unrechtmäßig Waren angeeignet und entweder selbst unterschlagen oder durch Dritte fortschaffen lassen. Zudem sei es zu weiteren bemerkenswerten Vorgängen gekommen. Die Klägerin sei meistens unterwegs gewesen und habe keine anderen Mitarbeiter eingewiesen, so dass es zu Schwierigkeiten bei der Zuordnung im Rahmen der Sendungsannahmen der Retouren der Artikel von CW gekommen sei. Anstelle eines täglichen Scannens der Retouren sei dies auf Anweisung der Klägerin erst nach ca. 14 Tagen erledigt worden. Nachdem bei ersten Auswertungen große Abweichungen festgestellt worden seien, sei herausgekommen, dass die Scanner unzureichend ausgelesen worden seien. Weiter habe die Klägerin Aushilfen für eigene Zwecke (Falten privater Flyer und Verteilung von Flyern) eingesetzt. Es sei eine Angestellte der Klägerin aus deren Massagestudio in den Betrieb gekommen, um Mitarbeiter vor Ort zu massieren, ohne dass dies mit S. abgestimmt worden sei. Schließlich sei die Klägerin "nie da gewesen" bzw. "sei immer wieder während der Arbeitszeit stundenlang fortgegangen (Einkaufen, Mittagessen mit ihrem Mann, Nagel- und Massagestudio)". Auf eine Klage gegen die Kündigungen hat das C. (ArbG) mit Urteil vom 10.01.2012 (Az. 9 Ca 797/11) die Kündigungen für unwirksam befunden, da es an einer notwendigen Zustimmung des Betriebsrats gefehlt habe. Ein auf die Anzeige der S. hin eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde von der Staatsanwaltschaft C-Stadt nach § 153 Abs 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Az.:xxx).
Mit Schreiben vom 17.10.2012 kündigte S. das Arbeitsverhältnis (erneut) aus wichtigem Grund fristlos. Nach dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stehe nunmehr fest, dass die Klägerin eine Reihe deliktischer Handlungen begangen habe, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Auch sei die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. einer entsprechenden sozialen Auslauffrist nicht zumutbar. Der Betriebsrat habe der Kündigung zugestimmt.
Die Klägerin meldete sich darauf am 18.10.2012 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die Beklagte bewilligte hierauf mit Bescheid vom 29.11.2012 Alg für die Zeit vom 18.10.2012 bis 16.10.2013 - unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessu...