Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht: Tätigkeit als Lehrer an einer Berufsfachschule für Notfallsanitäter

 

Leitsatz (amtlich)

Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit.

 

Orientierungssatz

1. Dienstleistungen können im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden. Insoweit kommt es auf die Gesamtschau der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls an (vgl. u.a. BSG, 7. Juni 2019, B 12 R 6/18 R). Dies gilt auch für den Beruf des Lehrers (vgl. BSG, 14. März 2018, B 12 R 3/17 R).

2. Im Einzelfall wird eine Tätigkeit als Dozent an einer privaten, staatlich anerkannten Berufsfachschule für Notfallsanitäter als selbstständige Tätigkeit erbracht, wenn von den Vertragsparteien eine selbstständige Tätigkeit gewollt ist, was insbesondere in einem umfassenden Ausschluss eines Weisungsrechts zum Ausdruck kommt und in tatsächlicher Hinsicht die Erteilung von Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Art und Weise der Durchführung nach Auftragsannahme in Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen nicht feststellbar ist.

3. Das Unternehmerrisiko stellt bei reinen Dienstleistungen, die außer Know-how, Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand, keinen besonderen Einsatz von Arbeitsmitteln erfordern, bei Fehlen von Investitionen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar (vgl. BSG, 31. März 2017, B 12 R 7/15 R). Dies gilt gleichermaßen für die Vereinbarung eines festen Honorars.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 7. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

II. Der Tenor des Gerichtsbescheides wird in Ziffer I wie folgt gefasst: "Der Bescheid vom 17.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.1.2018 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Dozent bei der Klägerin seit 22.1.2014 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wird und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt."

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1 als Dozent bei der Klägerin für die Zeit ab 22.1.2014.

Die Klägerin betreibt eine private, staatlich anerkannte Berufsfachschule für Notfallsanitäter. Die Ausbildung dauert drei Jahre. In jedem Ausbildungsjahr gibt es eine Schulklasse. Die Klägerin beschäftigt fünf (ärztliche und nichtärztliche) Vollzeitlehrkräfte. Bei Personalausfall im Bereich medizinischer Ausbildungsinhalte werden freiberufliche Ärzte angefragt und im Einzelfall verpflichtet.

Der Beigeladene zu 1 ist hauptberuflich selbständiger niedergelassener Allgemeinarzt mit der Zusatzqualifikation Notfallmedizin. Er übernimmt an einzelnen Tagen Unterrichtsstunden im Fach medizinische Grundlagen und Notfallmedizin nach vorheriger telefonischer Vereinbarung auf der Grundlage des Dozentenvertrages vom 1.8.2012. Der Dozentenvertrag enthält u.a. folgende wesentliche Regelungen:

"1. Der/die Dozent/Dozentin unterrichtet ab September 2012 am Lehrinstitut das Fach Medizin und Notfallmedizin. Der/die Dozent/Dozentin ist jederzeit frei, den vom Lehrinstitut angebotenen Unterricht abzulehnen. Die Unterrichtsverpflichtung umfasst die Vor- und Nachbereitung, die Dokumentation sowie die Durchführung des Unterrichts einschließlich der Abnahme von Leistungsnachweisen im Rahmen des Unterrichts sowie deren Bewertung und Korrektur. Der/die Dozent/Dozentin ist zu keinerlei weitergehenden Nebenarbeiten (z.B. der Teilnahme an Lehrerkonferenzen, etc.) verpflichtet. Soweit der/die Dozent/Dozentin an der Abnahme von Prüfungen mitwirken soll, bedarf dies einer gesonderten Vereinbarung, in der insbesondere die Anzahl der abzunehmenden Prüfungen einschließlich deren Terminierung zu vereinbaren ist. Auch die Übernahme von Vertretungsstunden kann nur einvernehmlich vereinbart werden. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht.

2. Der/die Dozent/Dozentin ist noch für weitere Auftraggeber in nicht nur geringfügigem Umfang selbständig tätig.

3. Sämtliche Festlegungen, insbesondere die Lage der Unterrichtszeiten werden zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich getroffen. Etwaige Veränderungen und Verlegungen der Unterrichtsstunden werden ebenfalls ausschließlich einvernehmlich getroffen. Eine entsprechende Weisungsgebundenheit des Dozenten/der Dozentin besteht nicht. Der/die Dozent/Dozentin ist auch in der Unterrichtsgestaltung sowie der von ihm gewählten didaktischen und methodischen Vorgehensweise frei von Weisungen.

4. Der/die Dozent/Dozentin informiert bei Verhinderungen unverzüglich das Lehrinstitut.

5. Der/die Dozent/Dozentin erhält ein Honorar von 45 € pro tatsächlich erteilter Unterrichtsstunde (60 Minuten) durch Überweisung auf sein Konto. Eine Vergütung für nicht erteilten Unterr...

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