Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Weigerung. Behandlung von Kassenpatienten. Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten. Abfeiern von zuvor geleisteten Mehrstunden in späteren Quartalen nicht zulässig. Disziplinarmaßnahme. Geldbuße. Sachleistungsprinzip. Präsenzpflicht. Ermessen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertragsarzt, der sich weigert, GKV-Patienten zu behandeln, verstößt gegen das Sachleistungsprinzip und die Präsenzpflicht und kann deshalb disziplinarisch belangt werden.
2. Ein Verstoß liegt auch dann vor, wenn der Vertragsarzt in der Vergangenheit überobligatorisch viel gearbeitet hat. Ein Abfeiern dieser Mehrstunden in späteren Quartalen ist nicht zulässig.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 2, § 81 Abs. 5; ÄrzteZV § 24 Abs. 2, § 32 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.04.2013 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme wegen Verstoßes gegen das Sachleistungsprinzip und die Präsenzpflicht. Der Kläger war seit 1996 bis 31.06.2012 als Facharzt für Augenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit dem 01.07.2012 ist er angestellter Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum.
Am 29.12.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten das Ruhen seiner Zulassung vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 und begründete dies mit Krankheit sowie "aus sonstigem Grund". Auf Nachfrage der Beklagten sowie den Hinweis, dass die nächste Sitzung des Zulassungsausschusses am 07.03.2012 geplant sei, präzisierte der Kläger seinen Antrag. Die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter sei ab dem 01.01.2012 eingestellt worden, ein Attest zu seiner Erkrankung werde bis spätestens 07.03.2012 nachgereicht. Als "sonstiger Grund" wurde die Verfolgung wegen Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Beklagten genannt, die nicht mehr auszuhalten seien. Daraufhin wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 11.01.2012 darauf hin, dass er bis zu einer Entscheidung des Zulassungsausschusses eine Versorgungsverpflichtung sowie Sprechzeiten von mindestens 20 Wochenstunden anzubieten habe. Der Kläger teilte daraufhin mit, er sei in den letzten Jahren überproportional tätig gewesen, diese Zeit werde er nunmehr in Form von Überstunden abfeiern. Am 26.01.2012 stellte der Vorstand der Beklagten einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen Verstoß gegen das Sachleistungsprinzip sowie die Präsenzpflicht. Am 28.02.2012 legte der Kläger ein Attest, datiert vom 24.02.2012 vor, wonach er seit dem 27.12.2011 bis voraussichtlich 30.06.2012 aus ärztlicher Sicht außer Stande sei, die vertragsärztlichen Verpflichtungen wahrzunehmen. Mit Beschluss vom 07.03.2012 stellte der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung des Klägers vom 8.03. bis 31.03.2012 fest. Ein Ruhen für abgelaufene Zeiträume sei jedoch nicht zulässig. Mit Beschluss vom gleichen Tag verpflichtete der Zulassungsausschuss den Kläger, sich bei einem (namentlich benannten) Gutachter zur Überprüfung seines Gesundheitszustandes in Bezug auf die Vorbereitung einer möglichen Zulassungsentziehung vorzustellen. Mit Schreiben vom 04.04.2012 informierte die Beklagte den Kläger über die Sitzung des Disziplinarausschusses am 18.04.2012. Am 17.04.2012 beantragte der Kläger eine Verlegung des Termins, da er von der Einladung erst am 16.04.2012 Kenntnis erlangt habe. Die Praxis sei vorher wegen Fortbildung geschlossen gewesen.
Mit Beschluss vom 18.04.2012 setzte der Disziplinarausschuss der Beklagten gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 2000 € fest. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens sei zulässig, da dem Kläger ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Er sei mit Schreiben vom 03.02.2012 und 05.03.2012 über die Möglichkeit der Beantragung einer mündlichen Verhandlung informiert worden, habe jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Seine schriftlichen Stellungnahmen seien berücksichtigt worden, so dass ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen die Pflicht zur Behandlungsübernahme (§ 13 Abs. 7 BMV-Ä und § 13 Abs. 6 EKV-Ä) verstoßen. Dies sei nachgewiesen durch die Schreiben dreier Patienten, die bekundet hätten, der Kläger behandle nur noch gegen Bezahlung, die Vorlage der Krankenversichertenkarte sei nicht erforderlich. Der Kläger habe auch selbst mehrfach geäußert, seine Praxis ab dem 01.01.2012 in eine Vorsorgepraxis umgestellt zu haben, um der Bevormundung durch die KV zu entgehen und den Patienten mehr als nur eine 08/15 Behandlung zukommen zu lassen. Diese Vorgänge seien auch in mehreren Presseberichten verbreitet worden. Das vom Kläger vorgelegte Attest genüge nicht den Mindestanforderungen, die an ein Attest zu stellen seien. Insbesondere enthalte es keine Befundtatsachen, kein Untersuchungsdatum sowie die Angabe, inwie...