Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. rentenrechtliche Relevanz einer psychischen Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 und vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R sowie LSG München vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08 und vom 18.1.2012 - L 20 R 979/09).

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.05.2013; Aktenzeichen 1 BvR 1522/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.10.2006 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2004 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger aufgrund seines Rentenantrags vom 03.03.2004 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren ist.

Der 1966 geborene Kläger hat von 1982 bis 1984 eine Lehre als Werkzeugmacher absolviert und war anschließend in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.11.2001 war der Kläger arbeitsunfähig, seit dem 01.06.2002 bezog er Leistungen der Arbeitsagentur. Gegenwärtig steht der Kläger im Bezug von Arbeitslosengeld II.

Am 24.07.2003 stellte der Kläger erstmals einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen Fibromyalgie, schwerem HWS-BWS-LWS-Syndrom sowie psycho-vegetativem Syndrom. Diese gesundheitlichen Einschränkungen bestünden seit 01.11.2001. Dieser Rentenantrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 23.09.2003 nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Frau Dr.S. vom 18.09.2003 sowie eines orthopädischen Gutachtens von Frau Dr.B. vom 19.08.2003 abgelehnt. Beide Gutachterinnen sahen den Kläger noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso mehr als 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der hiergegen mit Schriftsatz vom 09.10.2003 eingelegte Widerspruch wurde durch den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Sichtung der eingeholten Gutachten zurückgenommen.

Ab 01.10.2003 nahm der Kläger wiederum eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Werkzeugmacher in Vollzeit auf bis zum Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit am 11.02.2004 und nachfolgendem Krankengeldbezug ab 24.03.2004.

Am 03.03.2004 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen Syringomyelie, HWS- und BWS-Erkrankungen sowie Depressionen. Die Beklagte holte nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten wiederum von Frau Dr.S. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Kläger eine Neurasthenie mit allmählich zunehmender Entwicklung einer somatoformen Störung vorliege sowie fehlende neurologische Defizite bei bekannter Syrinx ab Unterkante HWK 3 abwärts und operiertem thorakalen Bandscheibenvorfall. Der Kläger sei noch in der Lage, die letzte Tätigkeit als Werkzeugmacher im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Des Weiteren holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Frau Dr.B. ein, die am 15.10.2004 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet noch in der Lage sei, seine Tätigkeit als Werkzeugmacher mehr als 6 Stunden täglich auszuüben, ebenso Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.10.2004 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab. Der hiergegen am 10.11.2004 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen am 28.01.2005 zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhobenen Klage hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass lt. Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S. vom 18.03.2005 dokumentiert sei, dass der Kläger an einer schweren Syringomyelie sowie einer somatoformen Schmerzstörung leide. Beide Diagnosen seien als gesichert anerkannt. Ausweislich dieses Reha-Entlassungsberichts könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Form von einfachsten Aufsichtstätigkeiten maximal noch 3 bis unter 6 Stunden verrichten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte die Rentenberechtigung des Klägers ablehnen könne. Immerhin sei er bereits se...

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