Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung der für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen 45-jährigen Wartezeit. Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn. Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn für die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (hier: Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Versicherten).

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz: Anschluss an LSG Stuttgart vom 21.6.2016 - L 9 R 695/16.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.07.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte anstelle einer Altersrente für Frauen hat.

Die 1951 geborene Klägerin beantragte am 31.07.2014 gleichzeitig eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte und eine Altersrente für Frauen jeweils mit Rentenbeginn zum 01.10.2014. Sie gab hierbei an, seit 01.10.2012 fortlaufend Arbeitslosengeld I von der Agentur für Arbeit in A-Stadt zu beziehen.

Die Beklagte kam zum Ergebnis, dass für die Wartezeit von 35 Jahren Beitragszeiten im Umfang von 548 Monaten und Anrechnungszeiten von 2 Monaten, insgesamt 550 Monate zu berücksichtigen seien. Für die Wartezeit von 45 Jahren für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte seien 524 Monate Pflichtbeitragszeiten und 1 Monat Berücksichtigungszeit, also 525 Monate zu berücksichtigen, so dass die Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monate) nicht erfüllt sei.

Mit Schreiben vom 22.08.2014 tätigte die Beklagte bei der Klägerin eine Nachfrage, nachdem die Klägerin in den letzten zwei Jahren vor dem beantragten Rentenbeginn Arbeitslosengeld bezogen habe: Solche Zeiten dürften für die Wartezeit (von 45 Jahren) nur berücksichtigt werden, wenn die Arbeitslosigkeit auf eine Insolvenz oder auf eine Geschäftsaufgabe zurückzuführen sei. Falls ein solcher Sachverhalt vorliege, werde um Übersendung der entsprechenden Beweismittel gebeten.

Die Klägerin legte eine Änderungskündigung vom 10.02.2004 vor, wonach ihr der Arbeitsplatz in A-Stadt bei der Firma P. Schmiergeräte GmbH gekündigt wurde und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 01.10.2004 in F-Stadt im Landkreis C. angeboten worden war. Die Klägerin trug weiter vor, dass sie die Fahrstrecke von täglich hin und zurück 300 km ab Oktober 2012 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr habe bewältigen können und deshalb ihren Arbeitsvertrag gekündigt habe. Hinzuweisen sei noch darauf, dass im Jahr 2009 der gesamte Firmensitz von A-Stadt nach B-Stadt verlagert worden sei.

Mit Bescheid vom 10.09.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen ab 01.10.2014 in Höhe von monatlich 1.202,07 Euro netto unter Berücksichtigung eines Rentenabschlages von 6,6 % für einen vorzeitigen Rentenbeginn von 22 Kalendermonaten. Im Bescheid wurde außerdem ausgeführt, dass die Wartezeit von 45 Jahren für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht erfüllt sei. Es seien 525 berücksichtigungsfähige Monate zurückgelegt worden und ein Sachverhalt, der dazu hätte führen können, dass die Pflichtbeiträge aus der Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2014 aus der Zahlung von Arbeitslosengeld an der Berechnung der Wartezeit teilnehmen würden, habe nicht vorgelegen.

Mit Schreiben vom 08.10.2014 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, ohne diesen näher zu begründen. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2015 den Widerspruch unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid zurück.

Am 02.02.2015 hat die Klägerin mit Telefax Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und eine Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend beantragt, dass ihr ab 01.10.2014 eine abschlagsfreie Altersrente zu zahlen sei. Die Beklagte habe sich zu Unrecht auf die Neuregelung des § 51 Abs. 3a Ziff. 3a 2. Halbs. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gestützt und die Wartezeit verkürzt berechnet. Die Ausnahmetatbestände seien nämlich gleichheitssatzwidrig. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, sich rechtsmissbräuchlich zu verhalten und zu einem früheren Zeitpunkt das gesetzliche Altersruhegeld zu beziehen. Sie habe ihren bisherigen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, da sie die sehr lange Pendelstrecke nicht mehr habe bewältigen können. Dies habe auch die Bundesagentur für Arbeit nachvollzogen und deshalb keine Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verhängt. Bei der Klägerin sei die Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht vom Motiv einer eventuellen Frühverrentung bestimmt gewesen, sondern sie habe den täglichen Arbeitsweg aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewerkstelligen können.

Das Sozialg...

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