Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnarzt. Zulassungsentziehungsverfahren. Berücksichtigung eines sogenannten Wohlverhaltens
Orientierungssatz
Ein sogenanntes "Wohlverhalten" eines betroffenen Vertragszahnarztes ist während des gerichtlichen Zulassungsentziehungsverfahrens zu berücksichtigen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung des Klägers zu 1) durch den Beklagten.
Der 1947 geborene Kläger zu 1) nimmt seit 1978 als Zahnarzt in F an der kassen-/vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 20. Juni 1991 beantragte der frühere AOK-Landesverband, dem Kläger zu 1) die Zulassung zu entziehen. Zur Begründung verwies er auf dessen Schreiben vom 8. Januar 1991, mit dem dieser die Versicherten anläßlich geplanter konservierend-chirurgischer Behandlungsmaßnahmen (hier Entfernung von Zahnstein nach BEMA-Nr. 107 und Behandlung entzündetes Zahnfleisch nach BEMA-Nr. 105) wie folgt aufklärte:
"Der Patient ist darüber aufgeklärt, daß er im Rahmen der kassenzahnärztlichen Behandlung Anspruch hat auf eine notwendige, ausreichende und wirtschaftliche (= kostengünstige) Behandlung. Da die Krankenkasse berechtigt ist, oben genannte Leistungen des Arztes pauschal zu kürzen bzw. eine Honorarzahlung per Regreßantrag zu verweigern (falls die Leistungen über einen "Landesdurchschnitt pro Patient" hinausgehen), kann eine Behandlung nur nach Zustimmung der Krankenkasse erfolgen -- andernfalls muß der Patient die Leistungen privat nach der gesetzlichen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bezahlen, wenn er die oben genannten Maßnahmen durchführen lassen will.
Erklärung der Krankenkasse:
Grad Die Kosten werden übernommen.
Ein Regreßantrag für diesen Patienten/die betreffende Leistung wird nicht gestellt und beim "Landesdurchschnitt" nicht berücksichtigt.
Grad Die Kosten werden nicht übernommen."
Die Beigeladenen zu 3) bis 5) schlossen sich mit Schreiben vom 1., 2. und 16. Juli 1991 diesem Antrag an.
Mit Bescheid vom 11. September 1991 entzog der Zulassungsausschuß für Zahnärzte-Südbayern die Kassenzulassung des Klägers zu 1). Dieser habe durch sein Handeln gröblich gegen kassenzahnärztliche Pflichten verstoßen. Die Verwendung des dem Zulassungsentziehungsantrags zugrundegelegten Formblattes weise darauf hin, daß der Zahnarzt der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V habe entgehen wollen. Dafür spreche auch die Tatsache, daß dieser in der Vergangenheit wiederholt Schwierigkeiten mit den Prüfgremien gehabt habe. Während der 14-tägigen Auslage des Formblatts seien zwar keine Behandlungen nach dieser Vorgehensweise erfolgt. Die dem Ausschuß vorliegenden Kostenpläne und Kostenrechnungen ließen jedoch erkennen, daß zu einem späteren Zeitpunkt diese Vorgehensweise gehandhabt worden sei. Zu diesem Zweck habe der Zahnarzt verstärkt Vereinbarungen mit Patienten gemäß § 4 Abs. 5b des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z) geschlossen. Dies hätten überwiegend Leistungen umfaßt, die auch Gegenstand der kassenzahnärztlichen Versorgung seien. Darüber hinaus seien von Patienten Zuzahlungen zu Kassenleistungen verlangt worden. Diese Vorgehensweise sei eine systematische Umgehung der vertragsgemäßen Leistungsabrechnung und der damit zusammenhängenden Wirtschaftlichkeitsprüfung unter mißbräuchlicher Zuhilfenahme der Abrechnung über die private Gebührenordnung für Zahnärzte.
Gegen diesen Bescheid legten sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 13. August 1992 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger zu 1) und 2) zurück. Außerdem ordnete er die vom AOK-Landesverband beantragte sofortige Vollziehung der Entziehung an. In den Gründen führte er im wesentlichen folgendes aus: Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V sei die Zulassung zu entziehen, wenn der Kassenzahnarzt seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletze. Eine Pflichtverletzung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann gröblich, wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der kassenzahnärztlichen Versorgung notwendig sei. Ein Disziplinarverfahren müsse in diesem Falle nicht vorausgegangen sein. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei die Entziehung als schwerster Eingriff in den Status erst dann erlaubt, wenn nicht mehr zu erwarten sei, daß der Zahnarzt durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner kassenzahnärztlichen Pflichten angehalten werden könne. Die Entziehung müsse das einzige Mittel zum Schutz des kassenärztlichen Systems sein.
Halte ein Zahnarzt, aus welchen Gründen auch immer, das geltende System der gesetzlichen Krankenversicherung für ungeeignet, seine, seines Berufsstandes oder der Versicherteninteressen ausreichend sicherzustellen, könne er selbstverständlich versuchen, das System mit den gegebenen legalen Mitteln zu ändern. Solange jedoch sein Bemühen keinen Erfolg habe, habe er sich an die geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen zu halten, es sei denn, er zöge es vor, sich durch Verzicht auf die Zulassung d...