Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. betriebsdienliche Tätigkeit. Unterbrechung des Heimwegs. Wohnung des Bruders als Schlafdomizil
Orientierungssatz
Ein Versicherter, der nach der Nachtschicht bzw nach einem kurzen Aufenthalt in der Familienwohnung (hier: gemeinsames Frühstück mit der Ehefrau) auf dem Weg zur Wohnung des Bruders, die er wegen der lärmbelästigenden Baumaßnahmen am eigenen Haus für längere Zeit als Schlafdomizil nutzte, verunglückte, steht gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Juni 2007 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert beträgt 1.522,56 Euro. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist ein Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 1.522,56 Euro.
Der Versicherte N W erlitt am 27. August 2002 gegen 07:00 Uhr einen Verkehrsunfall, an dessen Folgen er am gleichen Tag verstarb.
In der Unfallanzeige vom 2. Oktober 2002 ist angegeben, der Versicherte habe sich nach Ende der Nachtschicht um 06:00 Uhr auf dem Weg zu seinem Bruder befunden. Er habe seit geraumer Zeit wegen Umbaumaßnahmen in seinem eigentlichen Wohnhaus seinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung seines Bruders verlagert. Der Bruder des Versicherten erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, der Versicherte habe zur Zeit bei ihm gewohnt und sei gerade von der Nachtschicht bei Audi unterwegs gewesen. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass der Versicherte wegen Übermündung von der Fahrbahn abgekommen war.
Mit Schreiben vom 30. April 2003 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß § 105 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) geltend. Nach den Angaben der Witwe sei der Versicherte zu seinem Bruder gefahren, um dort zu schlafen, da es ihm wegen der Renovierungsarbeiten an seinem Wohnhaus nicht möglich gewesen sei, dort tagsüber zu schlafen. Er habe die Absicht gehabt, die ganze Woche nach der Arbeit dort zu übernachten. Die Fahrt habe also der Erhaltung der Arbeitskraft gedient.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. Juni 2003 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 27. August 2002 ab. Der Versicherte habe nach Beendigung der Nachtschicht die gemeinsame Wohnung in I aufgesucht und dort mit seiner Frau gefrühstückt. Damit sei das Ziel des Rückweges erreicht und der unfallversicherungsrechtlich geschützte Weg beendet gewesen. Der Weg von der gemeinsamen Wohnung zur Wohnung des Bruders in O stehe nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung, denn das Schlafen sei dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen und diene nicht den Interessen des Unternehmens. Es handle sich hier um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, nämlich um eines der notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflege. Die Gründe für das Schlafen außerhalb der eigenen Wohnung seien zudem nicht in der betrieblichen Tätigkeit, sondern in den Umbaumaßnahmen am Haus zu suchen.
Die Witwe des Versicherten wandte mit Widerspruch vom 31. Juli 2003 ein, sie habe nicht mit ihrem Ehemann zusammen gefrühstückt, sondern nicht bemerkt, dass er kurz die Wohnung betreten habe, um sich Schlafutensilien zu holen. Er sei unmittelbar danach zu seinem Bruder gefahren. Da seit Monaten Umbaumaßnahmen durchgeführt worden seien, sei die gemeinsame Wohnung schon länger nicht mehr sein Lebensmittelpunkt gewesen. Die Witwe führte im Schreiben vom 18. August 2004 aus, es sei unschädlich, dass der Versicherte zunächst die eigene Wohnung aufgesucht habe, da der Aufenthalt dort kürzer als zwei Stunden gedauert habe. Damit handle es sich um einen Zwischenort. Versicherungsschutz bestehe, da sich der Unfall auf der Wegstrecke von dem Ort der Tätigkeit nach O ereignet habe. Es habe ein sachgerechter, mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängender Grund für den Versicherten bestanden, in O zu schlafen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2003 zurück. Lebensmittelpunkt des Versicherten sei die gemeinsame Wohnung in I gewesen. Somit sei der versicherte Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung bereits abgeschlossen gewesen. Auf dem folgenden Weg habe der Versicherte nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden. Ein den Versicherungsschutz begründender betriebsdienlicher Zusammenhang liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 26. August 2004 erklärte die Beklagte, sie erkenne den Erstattungsanspruch der Klägerin nicht an.
Zur Begründung der Klage führte die Klägerin aus, der Schlaf, der nach einer Nachtschicht zwangsläufig in die Tagesstunden falle, diene der Regeneration, um in der folgenden Nachtschicht die Arbeitsleistung wieder erbringen zu können. Wegen d...