nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 21.08.1996; Aktenzeichen S 5 An 99/95) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. August 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am ...1908 geborene Klägerin bezieht seit 01.02.1962 eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Mannes (Bescheid vom 29.06.1962). Mit Bescheid vom 17.05.1988 betreffend "Neuberechnung der Rente" teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe die Rente nach § 48 Sozialgesetzbuch, 10. Buch - SGB X - geprüft und neu berechnet. Der Grund hierfür waren die Rentenanpassungen zum 01.07.1987 und 01.07.1988. Die laufende Zahlung setzte ab 01.07.1988 in Höhe von DM 1.391,10 ein. Bei einem bis zum 30.06.1988 gezahlten Betrag von DM 1.307,60 ergab sich eine Nachzahlung von DM 515,28.
Am 17.05.1988 wurde der Zahlungsauftrag (BXZA NR 31) für die laufende Rente gefertigt, am 19.05.1988 die Nachzahlung angewiesen. Der ZA vom 17.05.1988 wurde am 07.08.1989 mit Wirkung zum 30.09.1989 zum Wegfall gebracht; am selben Tag wurde ein neuer ZA ab Oktober 1989 erteilt. Die gemäß ZA vom 26.01.1987 geleistete Rente in Höhe von DM 1.307,60 wurde nicht eingestellt und weiter bezahlt.
Am 12.06.1991 und 17.07.1991 wurden zwei Kontospiegel Rente - Hinterbliebenenrente § 45 Abs.2 AVG - erstellt. Im ersteren war vermerkt, die Anpassung der Rente könne von der DBP nicht durchgeführt werden (BXZANR 21, Fertigungsdatum 26.01.1987), im letzteren war auf einen Zahlungsauftrag BXZANR 31 Bezug genommen. Es war ersichtlich, daß insofern die Anpassung ab 07/91 durchgeführt wurde. In einem am 07.09.1994 erstellten Kontospiegel wurde festgehalten, es seien zwei ZA dokumentiert: 07.08.1989 BXZA 31 und 26.01.1987 BXZA 21.
Am 12.09.1994 wurde die seit 01.07.1988 erfolgte Doppelzahlung förmlich vermerkt und die Zahlung gemäß ZA vom 26.01.1987 eingestellt. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 13.09.1994 davon informiert und ihr Gelegenheit gegeben, bis 25.09.1994 zur vorgesehenen Rückforderung der Überzahlung Stellung zu nehmen, was am 21.09.1994 auch geschah. Dabei versicherte die Klägerin, sie habe nie geglaubt, Rentenbeträge zu Unrecht in Empfang zu nehmen. Sie habe sich nie um schriftliche Sachen gekümmert. Sie verwies auf ihr Alter, ihren Gesundheitszustand und daß sie, zumal sie keine Kinder habe, auf die Rente zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 09.11.1994 stellte die Beklagte die Überzahlung für die Zeit vom 01.07.1988 bis 30.09.1994 in Höhe von DM 98.070,00 fest und forderte den Betrag gemäß § 50 Abs.2 i.V.m. § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - SGB X - zurück. Die Klägerin habe die Rechtsgrundlosigkeit (Rechtswidrigkeit) der Leistung jedenfalls grob fahrlässig nicht erkannt. Als bösgläubig zu Unrecht bereicherte Rentenempfängerin hafte sie für den entstandenen Schaden. Um Erstattung des überzahlten Betrages und der Verwendung des beiliegenden Überweisungsträgers werde gebeten. Auf eine Rückforderung könne im Interesse der Versichertengemeinschaft, deren Vermögen die Beklagte verwalte, nicht verzichtet werden. Sollte die Klägerin nicht in der Lage sein, die Überzahlung in einem Betrag zu tilgen, wären ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen und nachzuweisen. Es werde dann geprüft, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Teilrückzahlungen einschließlich der Erhebung von Zinsen zugelassen werden könnten.
Mit Schreiben vom 05.12.1994 versicherte die Klägerin erneut, sie sei gutgläubig gewesen. Die Überzahlung beruhe nicht auf falschen Angaben ihrerseits oder arglistiger Täuschung, sondern auf dem Verschulden der Beklagten. Sie verwies auf ihr hohes Alters, eingeschränkte Urteilsfähigkeit und den langen Zeitraum der Doppelzahlung. Sie besitze keine finanziellen Rücklagen, weder Haus- noch Grundbesitz, Wertpapiere oder sonstiges Vermögen, bis auf ein kleines Sparguthaben, das sie für Beerdigungskosten angelegt habe. Nach nochmaliger Darlegung der Rechtsansicht durch die Beklagte (Schreiben vom 04.01.1995) übersandte die Klägerin eine Aufstellung ihrer Einnahmen und Ausgaben (DM 3.389,47 zu DM 2.907,04) und verwies darauf, daß die hohe Rückforderungssumme ihre Lebensgrundlage vernichten würde.
Die Beklagte wies den Widerspruch am 18.04.1995 in vollem Umfang zurück. Sie legte dar, daß die Klägerin bösgläubig im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X sei und führte weiter aus: "Die BfA kann auch nicht im Wege des Ermessens von einer Erstattung des zu Unrecht in Empfang genommenen Betrages von DM 98.070,00 absehen, da Sie die Beträge "bösgläubig" entgegengenommen haben. Bösgläubigkeit liegt vor, wenn sich der Bereicherte der Unrechtmäßigkeit der Leistung voll bewußt ist oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bewußt ist."
Ein am 19.04.1995 vorgelegtes Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin ..., wonach bei der von ihm seit 1990 behandelten Klä...