Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfähigkeit, Summierung. Rente wegen Erwerbsminderung. zeitliches Leistungsvermögen. Beweiswürdigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung

 

Orientierungssatz

Besteht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen und hat der Versicherte zuletzt eine ungelernte Tätigkeit nach kurzer Einweisung ausgeübt, so ist er auch bei häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

 

Normenkette

SGB VI §§ 43, 240

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. März 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente für die Zeit bis zum 31.07.2011.

Die 1951 in Polen geborene Klägerin ist 1987 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Sie erlernte den Beruf der Kellnerin, war von 1969 bis 1973 als Kellnerin, von 1973 bis 1978 als Köchin, von 1978 bis 1987 als Druckerin, von 1989 bis 1991 als Hilfsarbeiterin in einer Styroporfabrik, von 1991 bis 1992 als Köchin (Küchenhelferin) in einem Altenheim und zuletzt von 01.05.1992 bis 31.12.2008 als Registraturkraft bei der DRV Bayern Süd beschäftigt. Ausweislich der vorliegenden Arbeitgeberauskunft handelte es sich dabei um eine Tätigkeit, die nach kurzer Einweisung von ungelernten Kräften verrichtet werden konnte.

Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 60 ab 24.10.2007 anerkannt.

Vom 06.08.2008 bis 10.10.2009 erhielt die Klägerin Krankengeld. Seit 01.08.2011 bezieht sie Altersrente für schwerbehinderte Menschen von der Beklagten. Die Berechnung des monatlichen Zahlbetrags wurde im Hinblick auf das anhängige Verfahren wegen Erwerbsminderungsrente vorläufig vorgenommen.

Vom 04.12.2008 bis 01.01.2009 befand sich die Klägerin insbesondere wegen einer somatoformen Schmerzstörung, Fibromyalgie sowie Angst/depressive Störung gemischt in der S-Klinik. Im Bericht wird u.a. von Arbeitsplatzkonflikten, einem alkoholkranken Ehemann, biographischer Traumatisierung und einer vorangegangenen Interferontherapie wegen Hepatitis C berichtet. Eine Schmerzreduktion scheine nicht möglich zu sein, diesbezüglich spiele ein Rentenbegehren der Klägerin (chronifizierte Opfer- und Erwartungshaltung) eine Rolle.

Die Klägerin beantragte am 06.04.2009 Rente wegen Erwerbsminderung. Sie halte sich seit Juni 2008 für erwerbsgemindert u.a. wegen anhaltender somatoformer Schmerzstörung, Angst und depressive Störung gemischt, Fibromyalgie, Hepatitis C, Harninkontinenz, offenes Foramen ovale und Vorhofseptum.

Im Verwaltungsverfahren wurde sie vom Nervenarzt Dr. G. am 22.05.2009 untersucht. Dieser attestierte ihr eine Leistungsfähigkeit für die letzte Tätigkeit und leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als sechs Stunden täglich. Die Klägerin verfüge noch über eine ausreichende Kompensationsfähigkeit.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 30.6.2009 ab. Die Klägerin wurde noch für vollschichtig einsatzfähig auch im bisherigen Beruf als "Reinigungskraft" angesehen.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass sie Bürokraft und nicht Reinigungskraft gewesen sei. Nach Eingang weiterer Unterlagen der behandelnden Ärzte wurde die Klägerin vom Internisten und Sozialmediziner Dr. G. untersucht. Dieser ging für die letzte Tätigkeit als Registraturkraft von einem aufgehobenen Leistungsvermögen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten von einem täglich über sechsstündigen Leistungsvermögen aus. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2010 zurück. Ausgehend vom Beruf der Registraturkraft sei die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Dagegen hat die Klägerin am 08.02.2010 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben.

Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. G. beigezogen; aktenkundig wurden auch ein Bericht des Nervenarztes Dr. S. vom 23.03.2010 und ein HNO-Befund vom 11.05.2010.

Daraufhin ist die Neurologin und Psychiaterin Dr. M. mit der Begutachtung beauftragt worden. Bei der Untersuchung durch die Sachverständige am 01.10.2010 hat die Klägerin über Schmerzen am ganzen Körper geklagt. Sie hat angegeben, dass sie noch ihre Haushaltsarbeiten (Kochen, Bügeln, oberflächliches Putzen) verrichte, im Kirchenchor singe und soziale Kontakte habe. Der neurologische Befund war mit Ausnahme einer Manschette am rechten Handgelenk und Klopfschmerzen an Hals- und Lendenwirbelsäule unauffällig. Die Stimmung war depressiv dysthym, die Schwingungsfähigkeit leichtgradig eingeschränkt. Die Klägerin war emotional auslenkbar. Es bestanden Somatisierungstendenzen. Der Laborbefund hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin die verordneten Medikamente trotz gegenteiliger Angabe bei der Begutachtung nicht eingenommen hat. Dr. M. hat folgende Gesundheitsstörungen seit April 2009 festges...

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