Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Anerkennung als Aufbaupraxis. Geltung der Aufbaupraxis-Regelung auch bei unterdurchschnittlicher Fallzahl und überdurchschnittlichem Gesamthonorar. Berücksichtigung des Zulassungszeitpunktes des Medizinischen Versorgungszentrums

 

Leitsatz (amtlich)

Die Jungpraxisregelung im Honorarvertrag der Beklagten, Abschnitt 2.1, B Nr. 4.1 Abs 4 HV 3/09, stellt im Falle eines MVZ auf dieses und nicht auf den bei diesem angestellten Arzt ab. Die Voraussetzungen der Jungpraxisregelung müssen daher beim MVZ und nicht bei dem im MVZ angestellten Arzt vorliegen.

 

Orientierungssatz

1. Ein MVZ fällt auch bei unterdurchschnittlicher Fallzahl und überdurchschnittlichem Gesamthonorar unter den Schutzbereich der Jungpraxisregelung.

2. Für die Annahme einer Aufbaupraxis kommt es auf den Zulassungszeitpunkt eines MVZ und nicht auf den Zulassungszeitpunkt des in das MVZ eintretenden Arztes an.

3. Zu Leitsatz vgl BSG vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 2.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.01.2018; Aktenzeichen B 6 KA 23/16 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Mai 2014, S 28 KA 1440/12 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin im Quartal 3/09 auf Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) wegen im Aufbau befindlicher Praxis (Jungpraxis).

Die Klägerin ist ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in A-Stadt. Gegründet wurde das MVZ zum 1.7.2007. Zu diesem Zeitpunkt war Dr. T. dort als angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von 40 Stunden/Woche beschäftigt und dessen ärztlicher Leiter (Beschluss des ZA vom 23.5.2007). Ab dem 1.7.2008 stellte die Klägerin Dr. L. (Internist mit Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie) mit einem Beschäftigungsumfang 10 Stunden/Woche an.

Dr. T. übte seine Tätigkeit ab 1.7.2008 bis 30.9.2010 mit einem Umfang von 30 Stunden/Woche aus. Vor seiner Anstellung im MVZ war Dr. T. seit dem 1.7.1986 als Internist in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Bescheid vom 23.6.2009 wies die Beklagte der Klägerin ein RLV für das Quartal 3/09 in Höhe von 30.661,82 € zu. Das RLV wurde dabei für Dr. L. i.H.v. 12.936,03 € und für Dr. T. i.H.v. 17.725,79 € ermittelt. Bei Herrn Dr. L. legte die Beklagte eine RLV-relevante Fallzahl aus 3/08 von 177 zugrunde (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 499), bei Herrn Dr. T. eine RLV-relevante Fallzahl aus 3/08 von 419 (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 701). Die tatsächlich erbrachte RLV-relevante Fallzahl von Dr. T. betrug im Quartal 3/09 511.

Am 8.7.2009 (eingegangen 21.10.2009) stellte Dr. T. für die Quartale ab 1/2009 einen (Form-)Antrag auf Erhöhung der Fallzahl - Anpassung des RLV wegen Jungpraxis - und beantragte die Übernahme der Fallzahl der Vorpraxis Dr. T.. Mit Bescheid vom 17.8.2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, da der Zeitpunkt der Erstniederlassung von Dr. T., gerechnet ab dem Antragsquartal, länger als fünf Jahre zurückliege. Eine Jungpraxis bestünde daher nicht. Hiergegen legte Dr. T. mit Schreiben vom 27.8.2010 Widerspruch ein.

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 12.6.2012 den Bevollmächtigten der Klägerin, wonach bei ihr noch Widersprüche der Klägerin gegen die RLV-Zuweisung vom 23.6.2009 sowie gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.8.2010 vorlägen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012 zurück. Eine Jungpraxis liege vor, wenn die Praxis im Vorjahresquartal zwar bereits in Betrieb gewesen sei, sich aber noch im Aufbau befinde, d.h., die für das RLV relevante Fallzahl im entsprechenden Vorjahresquartal noch unterdurchschnittlich gewesen sei. Der Zeitpunkt der Erstniederlassung dürfe dabei, gerechnet ab dem Antragsquartal, nicht länger als fünf Jahre zurückliegen. Im Falle des Wechsels von einer Einzelpraxis in ein MVZ seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Arzt, der von einer Einzelpraxis zu einem MVZ wechsele, könne vor diesem Hintergrund nicht als Praxisneugründer im Sinne einer Jungpraxis angesehen werden. Vielmehr sei Dr. T. vorher tätig gewesen und sei auch weiterhin tätig. Demnach sei die Fünf-Jahre-Regelung in diesem Fall nicht anwendbar.

In ihrer am 2.11.2012 zum Sozialgericht München erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, das MVZ sei im streitgegenständlichen Quartal als im Aufbau befindlich und damit als Jungpraxis anzusehen. Die Beklagte stellt demgegenüber für den Zeitpunkt der Erstniederlassung nicht auf den Zeitpunkt der Gründung des MVZ ab, vielmehr sei der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem derjenige im MVZ tätige Arzt, dessen Fallzahlerhöhung begehrt werde, erstmals zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden sei. Es sei also für diesen Zeitpunkt ein konkreter "Arztbezug" herzustellen.

Das SG hat mit Urteil vom 16...

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