Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente für Türken. Unterlassung der Beratung über die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob eine Beitragsentrichtung eines türkischen Staatsangehörigen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (hier: ab 1985) trotz der in diesem Jahr erfolgten Rückkehr in die Türkei noch möglich ist, wenn ein EU-Rentenantrag noch während seines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland gestellt worden ist und bei Abschluß seines sozialgerichtlichen Verfahrens nicht umfassend über die versicherungsrechtlichen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung seiner Rentenanwartschaft beraten wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen B 5 RJ 50/98 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1938 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er hat nach seinen Angaben in Deutschland von 1964 bis 1982 als Hilfsarbeiter gearbeitet, hat anschließend Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen bis 31.12.1984 und ist am 31.12.1985 in die Türkei zurückgekehrt. Die Rentengewährung war erfolgt aufgrund eines Gutachtens des Internisten Dr. M vom 02.12.1982, in dem der Kläger nur noch für fähig erachtet worden war, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von zwei Stunden bis unterhalbschichtig zu verrichten.

Nach dem Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente vom August 1984 wurde er in der sozialmedizinischen Klinik L vom 11. bis 15.03.1985 auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet untersucht. Im Gutachten vom 20.03.1985 hielt Ltd. Med. Dir. Dr. G zusammenfassend leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch vollschichtig für zumutbar, wenn häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten vermieden werde. Die LVA Württemberg lehnte die Weitergewährung der Rente mit Bescheid vom 24.06.1985 ab, da der Kläger nicht mehr berufsunfähig und auch nicht erwerbsunfähig sei. Es bestehe kein Hinweis auf eine organische Herz- oder Kreislauferkrankung; auch sei nach deutlicher Gewichtsreduktion keine Herzmehrbelastung mehr feststellbar.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben. Dieses Gericht hat den Chirurgen Dr. G, bei dem der Kläger seit 1982 in Behandlung stand, als sachverständigen Zeugen gehört. Mit Urteil vom 13.11.1986 hat es die Klage abgewiesen, weil der Kläger seit Januar 1985 nicht (mehr) wenigstens berufsunfähig sei.

Die dagegen eingelegte Berufung begründete der Kläger mit dem Vorbringen, er sei krank in die Türkei zurückgekehrt; seine Krankheit verschlimmere sich fortlaufend; er könne nicht mehr arbeiten und benötige die Rente zum Leben. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat ein Gutachten von Prof. Dr. R Abteilungsleiter in der orthopädischen Klinik der Universität H vom 11.02.1988 eingeholt. Darin ist der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei (nach bereits erfolgter Abheilung einer akuten Lymphangitis des linken Beines) wieder in der Lage, leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig auszuüben, wobei das Heben und Tragen schwerer Lasten vermieden werden sollte. Mit Urteil vom 25.03.1988 hat das Landessozialgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger sei zumindest seit 1985 in der Lage, vollschichtig Arbeiten in seinem bisherigen Berufskreis als Hilfsarbeiter zu verrichten. Er sei damit weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Am 13.10.1993 beantragte der Kläger bei der nunmehr zuständigen LVA Oberfranken und Mittelfranken erneut die Gewährung von Rente. Vom türkischen Versicherungsträger wurde bestätigt, daß der Kläger in der Türkei vom 06.05.1991 bis 17.02.1994 Versicherungszeiten im Umfang von (umgerechnet) 33 Kalendermonaten zurückgelegt habe. Der Beklagten wurde ein "Ausführlicher ärztlicher Bericht" (TR 12) basierend auf einer am 16.05.1994 erfolgten Untersuchung, und ein Bericht des Krankenhauses O über eine Computertomographie der Hals- und Lendenwirbelsäule (vom 16.06.1994) und eine am 26.05.1994 durchgeführte Urographie übermittelt. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen (lumbale Arthrose, bilaterale Gonarthrose, chronisch-obstruktive Lungenkrankheit) sei der Kläger nicht mehr imstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieser Beurteilung stimmte die beratende Ärztin der Beklagten Dr. P-B in ihrer prüfärztlichen Stellungnahme vom 24.01.1995 zu. Seit Antragstellung (Oktober 1993) sei das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als zwei Stunden täglich vermindert.

Mit Bescheid vom 13.02.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab: Beim Kläger bestehe seit 17.02.1994 (Ende der pflichtversicherten Beschäftigung in der Türkei) Erwerbsunfähigkeit; auch habe er die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt. Im maßgebenden Zeitraum vom 17.02.1989 bis 16.02.1994 seien jedoch nur insgesamt 33 Monate (tü...

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