Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zeitliches Leistungsvermögen. Schwere spezifische Leistungsbehinderung. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Wegefähigkeit. Medizinische Beweiswürdigung. Rente wegen voller Erwerbsminderung: Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Orientierungssatz

1. Ist der Versicherte noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten zu verrichten, so ist ungeachtet dieses quantitativen Leistungsvermögens ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann gegeben, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und dem Versicherten keine Tätigkeit benannt werden kann, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann.

2. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen kommt nicht in Betracht, wenn die qualitativen Leistungseinschränkungen nicht ungewöhnlich sind und darüber hinaus das Restleistungsvermögen des Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert zu werden pflegen (z.B. Zureichen, Abnehmen, Reinigen von Maschinen, Sortieren usw.).

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 2-3

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der vom Kläger bereits bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1954 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Schlosser und zum Schweißer absolviert. Zuletzt war er von 2001 bis 2009 als Maschinenbaumonteur (Teilzeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung - GdB - von 40 festgestellt. Seit 1. Mai 2004 bezieht er Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer.

Mit Antrag vom 5. Juli 2011 begehrte der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zur Begründung verwies er auf einen Hörschaden, Erkrankungen an Herz, Haut und Psyche, ein Rückenleiden sowie eine chronische Bronchitis.

Die Beklagte zog einen Entlassungsbericht der Fachklinik H. über Maßnahmen der stationären medizinischen Rehabilitation bei, an denen der Kläger vom 23. Oktober 2008 bis 12. März 2009 teilgenommen hatte. Hieraus gehen folgende Diagnosen hervor:

1. Störung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom

2. Störung durch Alkohol, Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung

3. Essenzielle (primäre) Hypertonie

4. Chronische ischämische Herzkrankheit

5. Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit.

Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in der Lage, leichte bis maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten 3 bis unter 6 Stunden täglich zu verrichten.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten, Kardiologen und Gastroenterologen Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser bescheinigte dem Kläger unter dem 12. September 2011 folgende Gesundheitsstörungen:

1. Erhebliche Innenohrschwerhörigkeit beidseits, teilkompensiert durch Hörgeräte

2. Durchblutungsstörungen am Herzen, zweimaliger Herzinfarkt (1995/1997), gute Herzpumpleistung, gut belastbar bis zu 125 W

3. Chronische Raucherbronchitis ohne signifikante Störung der Lungenfunktion

4. Übergewicht (BMI 35 kg/m², Bauchumfang 123 cm) mit gut erhaltener Beweglichkeit

5. Chronischer Alkoholismus ohne Ausbildung von Leberzirrhose oder Wesensänderung, seit 3 Jahren Alkoholabstinenz

6. Abnutzungserscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreiz mit Minderbelastbarkeit.

Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger noch 6 Stunden und mehr leistungsfähig für leichte Tätigkeiten, die überwiegend im Sitzen zu verrichten seien. Zu vermeiden seien häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 19. September 2011 den Antrag ab.

Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf pfeifende Geräusche im Innenohr, eine chronische Bronchitis und Rückenschmerzen. Zusammenhängendes Arbeiten sei ihm nicht möglich. Seine Behinderungen und der sehr belastende Geldmangel führten zu enormen depressiven Zuständen. Auf Anfrage der Beklagten, bei welchem Internisten/Pneumologen er in Behandlung sei, teilte der Kläger mit, aufgrund seiner Armut könne er sich seit langer Zeit keine Behandlung bzw. Untersuchung bei einem Facharzt mehr erlauben. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge