Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersruhegeld. Rentenanspruch. fehlerhafte Auskunft einer Gemeinde. Verjährung
Orientierungssatz
Das Ermessen für eine Erhebung der Verjährungseinrede durch den Rentenversicherungsträger ist bei einer objektiv fehlerhaften Auskunft einer Gemeinde auf Null reduziert; die Einrede der Verjährung kann somit nicht erhoben werden (vgl BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 17/96 = BSGE 79, 177 = SozR 3-1200 § 45 Nr 6).
Tatbestand
Streitig ist der Beginn des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Hierbei geht es vor allem um die Frage, ob das Altersruhegeld auch für Zeiten zu zahlen ist, die länger als vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung liegen.
Der Kläger ist am 1912 geboren. Er hat das 65. Lebensjahr im Februar 1977 vollendet. Einen Antrag auf Altersruhegeld stellte er am 24.07.1991.
Mit Bescheid vom 18.12.1991 bewilligte die Beklagte Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.01.1987. Sie stellte hierbei den Eintritt des Versicherungsfalles auf den 15.02.1977 fest und führte aus, die Rente werde erst ab 01.01.1987 gezahlt, weil bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Leistungen verjährt sei. Der Rentenberechnung legte die Beklagte 210 Monate berücksichtigungsfähige Versicherungszeiten zugrunde (263 Wochen Pflichtbeiträge, 319 Wochen Ersatzzeit/militärischer Dienst, weitere 71 Monate Pflichtbeiträge und 18 Wochen freiwillige Beiträge). Für die Zeit vom 01.01.1987 bis 31.01.1992 stellte sie einen Nachzahlungsbetrag von 36.339,78 DM fest und begann ab 01.02.1992 mit der laufenden Zahlung in Höhe von 649,98 DM monatlich.
Gegen diesen Rentenbescheid erhob der Kläger Widerspruch und trug u.a. vor, er sei 1980 im Alter von 68 Jahren bei der für die Entgegennahme von Rentenanträgen zuständigen Gemeinde gewesen und habe sich dort bezüglich einer Rentenantragstellung erkundigt. Nachdem er einer - noch heute in der Gemeinde tätigen - Angestellten seinen Versicherungsverlauf (Beitragszeiten, Kriegsgefangenschaft) dargelegt habe, aus dem sich mehr als 5 Jahre Beitragszeiten ergeben hätten, habe diese erklärt, er habe keine 15 Jahre Versicherungszeit und somit keinen Rentenanspruch. Die Angestellte habe dann, statt einen Rentenantrag aufzunehmen, ihm lediglich die Beratungstage der Beklagten in der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Rosenheim aufgeschrieben. Aus dieser Verhaltensweise der Gemeinde erwachse ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, aufgrund dessen er so zu stellen sei, als habe er 1980 bereits den Rentenantrag gestellt; der Grundsatz von Treu und Glauben verwehre der Beklagten eine Berufung auf die Verjährung des Rentenanspruchs.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.1992 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es verbleibe beim 01.01.1987 als Rentenbeginn. Die Berufung auf die Verjährung verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Außerdem gelte auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Ausschlußfrist nach § 44 Abs.4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X), wonach eine Rente längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Antragstellung gezahlt werden könne.
In seiner am 07.08.1992 zum Sozialgericht München erhobenen Klage schilderte der Kläger nochmals die Vorsprache bei der Gemeinde. Zur Untermauerung seines Vorbringens legte er eine maschinenschriftliche, zeitlich geordnete Aufstellung seiner Versicherungskarten Nr.1 - 7 vor, in der zwischen Versicherungskarte 4 und 5 "Kriegsdienst und Gefangenschaft" eingeschoben ist. Handschriftlich sind auf dem Blatt unten die Sprechtage der Beklagten bei der AOK Rosenheim für das Jahr 1980 vermerkt, beginnend mit dem 18.03.1980. Der Kläger gab hierzu an, der handschriftliche Vermerk stamme von der Gemeindebediensteten
Durch Urteil vom 18.02.1993 wies das Sozialgericht München unter Zulassung der Berufung die Klage ab.
Mit der hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung (Eingang beim Sozialgericht München am 16.03.1993), mit der das Altersruhegeld bereits ab 01.03.1977 begehrt wurde, trug der Kläger neben seinem bisherigen Vorbringen ergänzend vor, bei ihm habe ein wirtschaftlicher Notstand vorgelegen. Vor 1987 habe er nämlich von einer geringen Unfallrente, die er wegen eines 1953 erlittenen landwirtschaftlichen Arbeitsunfalls beziehe, und von der Substanz seines landwirtschaftlichen Betriebs (Verkauf wertvoller Teile des Anwesens) gelebt. Erst seit der Verpachtung des Betriebs 1987 erhalte er sog. Bauernrente. Des weiteren trug der Kläger vor, eine Fahrt zu den Sprechtagen in Rosenheim sei ihm nicht zumutbar gewesen, denn er sei seit seinem schweren Unfall von 1953 gesundheitlich angeschlagen und hätte auch mit Rücksicht auf seinen Bauernhof keine diesbezügliche Tagesreise unternehmen können.
Nach Beiladung der Gemeinde (Beschluß vom 04.04.1995) wies der Senat die Berufung mit Urteil vom 30.05.1995 als unbegründet zurück.
Auf Beschwerde des Klägers ließ das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen dieses Urteil zu (Beschl...