Leitsatz (amtlich)
Wenn im strittigen Bescheid eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung zum Widerspruch enthalten ist und trotzdem unmittelbar Klage erhoben wird, ist die Klage unzulässig und deswegen abzuweisen. Eine ausdrücklich als solche bezeichnete Klage enthält keinen Widerspruch, ist nicht als Widerspruch auszulegen und nicht in einen Widerspruch umzudeuten. Durch die Belehrung zum Widerspruch sind Irrtümer oder Verwechslungen ausgeschlossen. Es besteht kein Raum für die Annahme, der Kläger habe einen anderen als den von ihm bezeichneten Rechtsbehelf einlegen wollen.
Einer Aussetzung des Verfahrens zur Nachholung eines Vorverfahrens bedarf es in dieser Situation nicht.
Die in der Literatur hierzu vertretene gegenteilige Auffassung knüpft an Urteile des BSG an, die zu besonderen prozessualen Konstellationen ergangen sind, in denen etwa unklar war, ob ein Widerspruchsverfahren überhaupt erforderlich war.
Tenor
I. Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2012 abgeändert und der Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin alle zur Tilgung des Darlehens für die Mietkaution einbehaltenen Leistungen auszuzahlen. Die Berufung bezüglich der für das Möbeldarlehen einbehaltenen Leistungen wird zurückgewiesen.
II. Die im Berufungsverfahren erhobenen Klagen werden abgewiesen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufrechung zur Rückzahlung von Darlehen für eine Mietkaution und für eine Ersatzbeschaffung von Möbeln. Daneben begehrt sie im Berufungsverfahren zusätzlich Unterkunftskosten und Fahrtgeld für eine private Reise zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten.
Die 1963 geborene Klägerin bezieht seit Anfang 2008 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Ihr Vater verstarb am 03.02.2009.
Anlässlich des Umzugs nach G. zum 01.05.2009 erhielt die Klägerin per Bescheid vom 28.04.2009 ein Darlehen für die Mietkaution der neuen Wohnung in Höhe von 870,- Euro. In dem Darlehensbescheid wurde eine monatliche Rückzahlung von 30,- Euro angeführt. Es wurde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ratenzahlung keine Rückzahlungsverpflichtung darstelle und nur ein Angebot für eine freiwillige Rückzahlung sei. Ergänzt wurde der Bescheid durch eine von der Klägerin unterschriebene "Abtretungserklärung" vom 28.04.2009, wonach die Klägerin den Anspruch auf Rückzahlung dieser Kaution in monatlichen Raten von 30,- Euro unwiderruflich abtrete.
Beim Auszug aus der Wohnung in G. zum 15.12.2009 behielt die Vermieterin die Kaution ein, u.a. für die nicht gezahlte Miete für Januar 2010, und begehrte vom Beklagten darüber hinaus weitere 90,- Euro.
Am 17.12.2009 begehrte die Klägerin Möbel für die neue Wohnung in A-Stadt. Mit Bescheid vom 09.02.2010 wurde der Klägerin ein Darlehen für Möbelkauf in Höhe von 300,- Euro gemäß § 23 Abs. 1 SGB II in der bis 31.12.2010 anwendbaren Fassung (a.F.) gewährt. Zugleich wurde eine monatliche Aufrechnung von 30,- Euro verfügt. Der Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung eines Widerspruchs. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben.
Mit Darlehensbescheid vom 19.11.2010 und Bewilligungsbescheid vom 19.11.2010 (geändert mit Bescheiden vom 26.03.2011, 04.05.2011 und 12.05.2011) wurde der Klägerin Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.12.2010 bis 31.05.2011 als Darlehen gewährt. Aufgrund eines Erbteils aus dem Nachlass des Vaters der Klägerin würde diese über Vermögen verfügen. Am 03.12.2010 erhob die Klägerin dagegen Widerspruch. Ein Darlehen sei unzulässig.
Am 26.04.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme von Fahrtkosten, die ihr für die Regelung des Nachlasses ihres Vaters entstanden seien. Hierzu legte sie später Quittungen, überwiegend Benzinrechnungen, vor. Die Übernahme dieser Kosten wurde mit Bescheid vom 12.05.2011 abgelehnt. Ein dagegen erhobener Widerspruch ist nicht ersichtlich.
Die Klägerin wandte sich im Verwaltungsverfahren mehrere Male gegen den laufenden Abzug bei der Leistungsgewährung zur Tilgung der beiden Darlehen.
Bereits am 12.04.2011 erhob die Klägerin ausdrücklich Klage zum Sozialgericht München. Der laufende Lebensunterhalt dürfe bei mittellosen Bürgern nicht auf Darlehensbasis erbracht werden. Dazu übermittelte sie in der Anlage den Darlehensbescheid vom 19.11.2010. Ferner wandte sich die Klägerin in der Klageschrift gegen den Einbehalt von Tilgungsraten für die beiden Darlehen. Die Abzüge für das Kautionsdarlehen seien sozialrechtswidrig.
Mit Schreiben vom 14.07.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die gleichzeitige Verrechnung von zwei Rückzahlungsforderungen aus den Darlehen für Mai, Juni und Juli 2011 aufgrund der geänderten Gesetzeslage korrigiert werden würde und eine Nachzahlung von 90,- Euro erfolge.
Mit Bescheid vom 13.10.2011 w...