Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücke, Aufrechnung, Darlehen. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Darlehensweise Leistungsgewährung. Rückzahlungsverpflichtung bei nur teilweiser Verwertung von Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Auch bei einer Teilverwertung von zunächst nicht verwertbaren Vermögen ist eine Aufrechnung nur über eine Vereinbarung mit dem Leistungsberechtigten möglich, wenn dieser weiter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Zuschuss erhält. Die insofern speziellere Regelung des § 42a Abs 3 SGB II geht der des § 42a Abs 2 SGB II vor.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Aufrechnung einer Darlehensrückzahlungsforderung mit laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.
Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 €. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in B. (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen.
Zur Begründung seiner dagegen beim SG erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Streitig seien die vom Kläger sinngemäß beantragte Aufhebung der verfügten Aufrechnung mit der Forderung aus den darlehensweise gewährten Leistungen und die Niederschlagung der Rückforderungssumme. Der Beklagte habe zu Recht im Umfange von 10 % des maßgeblichen Regelbetrags aufgerechnet. Die seinerzeitige Gewährung des Alg II als Darlehen sei rechtskräftig festgestellt. Die Darlehensgewährung sei wegen der nicht sofort verwertbaren Grundstücke erfolgt, so dass vorliegend zwar die Spezialvorschrift des § 42a Abs 3 SGB II greife. Die Aufrechnung sei aber möglich, wenn mit dem Erlös aus dem Vermögensverkauf keine Rückführung des Darlehens vorgenommen werde. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, wenn der Leistungsbezug nicht...