Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsleistung. Gewährung nach fünfjährigem Anspruchszeitraum. Verjährungsbeginn. bescheidmäßige Feststellung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen dem Grunde nach gemäß § 3 Abs 2 S 1 BKV unterliegt nicht der Verjährung gemäß § 45 SGB 1. Vielmehr unterliegt der einheitliche - zweistufige - Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen der Verjährung, die mit Bekanntgabe des konkretisierenden Verwaltungsakts mit konstitutiver Wirkung gemäß § 37 SGB 10 über Art, Dauer und Höhe der (Einzel-)Leistung im Rahmen der Ermessensausübung beginnt.
2. Neben der Anreizfunktion zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit ist der Anspruch auf Gewährung von Übergangsleistungen ein echter Schadensersatzanspruch, der auch dann noch erfüllt werden kann, wenn er erst nach dem fünfjährigen Anspruchszeitraum bescheidmäßig festgestellt wird.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 13.11.2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 Berufskrankheitenverordnung dem Grunde nach zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 Berufskrankheitenverordnung (BKVO) dem Grunde nach streitig, insbesondere, ob der Anspruch verjährt ist.
Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte von 1988 bis 1989 eine Berufsausbildung zum Masseur und Bademeister. Im Zeitraum vom 01.10.1991 bis Ende 1993 war er mit Unterbrechungen als Krankenpfleger und Masseur tätig. Nach Aufgabe dieser Tätigkeiten wegen eines schweren nässenden Kontaktekzems Ende 1993 holte er bis 1997 sein Abitur nach. Die am 02.02.1998 begonnene Umschulung zum Buchbinder beendete er am 09.04.1998. Im Rahmen eines beruflichen Rehabilitationsverfahrens auf Veranlassung des Arbeitsamts A-Stadt nahm der Kläger an verschiedenen Praktika im Ausbildungsberuf Mediengestalter, Digital - und Printmedien, teil und absolvierte ab April 2002 auf Veranlassung des Reintegrationszentrums für Rehabilitanden und Schwerbehinderte (BRZ) ein Praktikum bei der Fa. P. ab 19.06.2002, das mehrfach verlängert wurde und im Dezember 2002 endete. Anschließend übte der Kläger verschiedene Aushilfstätigkeiten aus.
Mit Schreiben vom 10.07.2003, bei der Beklagten am 11.07.2003 eingegangen, teilte der Kläger unter Vorlage ärztlicher Unterlagen mit, dass er seinen Beruf als Krankenpfleger 1993 wegen berufsbedingter Erkrankungen der Haut und der Wirbelsäule sowie aus psychischen Gründen aufgegeben habe. Daraufhin leitete die Beklagte u.a. ein Feststellungsverfahren wegen der Hauterkrankung des Klägers ein. Mit Bescheid vom 22.03.2005 erkannte die Beklagte die Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr 5101 der Anlage zur BKVO an und stellte als Versicherungsfall den 01.01.1994 fest. Die Gewährung einer Verletztenrente lehnte die Beklagte ab. Nach Kenntniserlangung der Hauterkrankung des Klägers mit Schriftsatz vom 11.07.2003 seien eventuelle Leistungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.1999 verjährt. Den hiergegen mit Schreiben vom 04. 06.2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2005 zurück.
Am 10.07.2006 erhob der Kläger Untätigkeitsklage bezüglich der Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 BKVO beim SG (S 5 U 186/06).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Zweck der Gewährung von Übergangsleistungen sei es, den Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu erleichtern, die mit dem Arbeitsplatzwechsel verbundenen Verdienstminderungen und sonstigen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen bzw. zu mindern und auf diese Weise allmählich auf die neue wirtschaftliche Situation hinzuführen. Nachdem der Kläger am 10.07.2003 die bei ihm aufgetretene Hauterkrankung angezeigt habe, sei 9,5 Jahre nach Aufgabe der die Haut gefährdenden Tätigkeit dieser sozialpolitische Zweck nicht mehr zu erfüllen gewesen. Der Versicherungsfall sei am 01.01.1994 eingetreten, so dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKV vom 01.01.1994 bis längstens 31.12.1998 gehabt habe. Ansprüche auf Sozialleistungen vor dem 01.01.1999 seien deshalb gemäß § 45 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjährt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2006 zurück.
Mit der am 19.09.2006 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Gewährung von Übergangsleistungen begehrt. Da...