Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Abfindungszahlungen aus arbeitsgerichtlichem Vergleich nach Vollstreckungsmaßnahmen. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Bei Teilzahlungen auf einen titulierten Abfindungsanspruch nach arbeitsgerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses im April 2005, die erst während des im Juli 2005 beginnenden Bewilligungszeitraumes nach SGB 2 nach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zugeflossen sind, handelt es sich nicht um Vermögen, sondern um Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, welches gem § 2 Abs 3 AlgIIV im jeweiligen Zuflussmonat zu berücksichtigen ist. Von der Einkommensberücksichtigung kann weder unter direkter noch unter analoger Anwendung der Vorschriften der Ausnahmeregelungen des § 11 Abs 1 S 1, Abs 3 Nr 2 SGB 2 oder unter Anwendung einer im Einzelfall im Rahmen des § 2 Abs 3 S 2 AlgIIV möglichen Härteregelung abgesehen werden.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Juli 2007 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind zuletzt noch die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 30.11.2005 wegen Anrechnung einer Abfindung sowie die Rückforderung des dadurch entstandenen Überzahlungsbetrages von € 1.064,82 streitig.
Der 1968 geborene Kläger ist seit Juli 2003 arbeitslos. Er bezog bis 24.06.2004 Arbeitslosengeld. Am 05.04.2005 schloss er vor dem Arbeitsgericht München mit seinem ehemaligen Arbeitgeber einen Vergleich, wonach dieser ihm € 6.500,- als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9,10 KSchG, § 3 Ziff. 9 EStG zu zahlen hat. Er wohnte bis 31.12.2005 zusammen mit dem 1973 geborenen C G in einer 65 Quadratmeter großen Wohnung in M, für die ein Mietzins in Höhe von € 670, Nebenkosten in Höhe von insgesamt € 150 und Heizkosten in Höhe von € 39,74 monatlich zu entrichten waren.
Am 11.07.2005 beantragte er bei der Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In dem Antrag gab er seine Forderung aus dem o.g. gerichtlichen Vergleich an. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 22.07.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 11.07.2005 bis zum 31.07.2005 in Höhe von € 525,08 (anteilig für 21 Tage) und für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.01.2006 in Höhe von monatlich € 750,12 (Regelleistungen in Höhe von € 345,- und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von € 405,12).
Am 28.12.2005 beantragte der Kläger die Fortzahlung des Arbeitslosengeldes II; Änderungen in den Einkommensverhältnissen verneinte er. Aus den von der Beklagten angeforderten Kontoauszügen der letzten drei Monate vor Stellung des Folgeantrags ergab sich, dass am 27.10.2005 € 1.750,- und am 23.11.2005 € 2.000,- auf das Konto des Klägers im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich dessen Abfindungsanspruchs überwiesen worden sind. Die Beklagte hob daher mit Bescheid vom 17.01.2006 ihren Bescheid vom 22.07.2005 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.10.2005 bis zum 30.11.2005 gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auf und forderte vom Kläger die Rückzahlung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von € 1.500,24 (Regelleistungen in Höhe von € 690 und Kosten der Unterkunft in Höhe von € 810,24). Als Zeitpunkt der Änderung gelte der Beginn des Monats, in dem das Einkommen zugeflossen sei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-Verordnung).
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Anrechnung des gezahlten Abfindungsbetrags auf seine Leistungen. Denn die erfolgten Gutschriften hätten auf Vollstreckungsmaßnahmen beruht, die Abfindung sei für das mit Ablauf des 30.06.2003 beendete Arbeitsverhältnis gezahlt worden und der Abfindungsanspruch sei bereits vor der Geltung des SGB II fällig geworden. Auch handle es sich bei der Abfindung um eine Entschädigung.
Die Beklagte half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 insoweit ab, als sie unter Beachtung der Vorschrift des § 40 Abs.2 Satz 1 SGB II den Erstattungsbetrag auf € 1.084,44 reduzierte. Dabei legte sie den monatlichen Kosten der Unterkunft eine Grundmiete in Höhe von € 345,- sowie Betriebskosten in Höhe von € 44,12 zugrunde (44 Prozent aus dieser Summe = € 171,22). Kosten für Heizung (ohne Warmwasser) veranschlagte sie mit € 26,- monatlich. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Bei den am 27.10.2005 und am 23.11.2005 erfolgten Zahlungen habe es sich um einmaliges Einkommen im Sinn des § 11 Abs.1 SGB II gehandelt, das von dem Monat an zu berücksichtigen sei, in dem es zufließe (§ 2 Abs.3 Satz 1 Alg II-Verordnung vom 20.10.2004). Dies bedeute, dass sich im November und Dezember 2005 bei Anrechnu...