Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung, ob die Erwerbsfähigkeit bedroht oder beeinträchtigt ist, ist ohne zeitliche Beschränkung regelmäßig an die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit anzuknüpfen (BSG, 12. März 2019, B 13 R 27/17 R).
2. Nicht maßgeblich sind Tätigkeiten, die nur verhältnismäßig kurze Zeit verrichtet oder nicht versicherungspflichtig ausgeübt worden sind.
3. Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist ausgeschlossen, wenn die erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, also die Unfähigkeit eines Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können, nicht auf Krankheit oder Behinderung beruht.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beigeladenen hin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.05.2016 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2015 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der 1965 geborene Kläger hat von 1980 bis 1983 eine Lehre als Maurer erfolgreich absolviert und war anschließend bis 2001 in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Zusätzlich war der Kläger als Nebenerwerbslandwirt in eigener Landwirtschaft tätig. Im Laufe des Jahres 2001 gab der Kläger seine versicherungspflichtige Tätigkeit als Maurer auf und war anschließend als Vollerwerbslandwirt selbständig tätig.
Nach seinen eigenen Angaben arbeitete der Kläger im eigenen Betrieb ganztags ohne Angestellte; sein Bruder helfe bei Bedarf mit. Nach wie vor verrichte er auch aktuell die selbständige Tätigkeit als Landwirt im eigenen Betrieb. Daneben erledige er den Winterdienst für die Gemeinde und habe bis vor kurzem ehrenamtlich junge Straftäter betreut. Wegen der Corona-Pandemie sei aber gegenwärtig kein Bedarf dafür. Diese Betreuungstätigkeit habe er im Auftrag des gemeinnützigen Vereins "J." immer samstags für ca. 7 bis 8 Stunden verrichtet und hierfür eine steuerfreie Vergütung von 15 Euro/Stunde erhalten.
Am 16.06.2010 beantragte der Kläger bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) und hiesigen Beigeladenen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für Unternehmer. Die Erwerbsminderung sei auf einen Unfall im Jahr 2005 zurückzuführen. Er leide unter einer großen Nabel-Hernie, Rezidiv, Operation 2005; seit 2007 deutliche Größenzunahme, die operiert werden müsse. Ferner leide er an einer Hypertonie.
Die Beigeladene holte ein ärztliches Gutachten von Dr. L vom Gesundheitsamt E ein, der am 23.07.2010 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger noch mehr als sechs Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Es liege eine operationsbedürftige Hernie und eine Bewegungseinschränkung der linken Hand nach verheilter Fraktur vor. Die Beigeladene lehnte daraufhin mit Bescheid vom 30.07.2010 eine Rentengewährung ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2010 zurückgewiesen.
Hiergegen hatte der Kläger am 21.11.2010 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 15 LW 9/11 geführt wurde.
Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte das SG ein internistisches Gutachten von Dr. G ein, der am 08.09.2011 zu folgenden Diagnosen gelangte:
1. Riesiger Bauchnabelbruch mit Bauchwandschwäche ohne Einklemmungserscheinungen und ohne Darmpassagestörungen
2. Arterieller Bluthochdruck ohne medikamentöse Behandlung
3. Adipositas Grad I
4. Kombinierte Fettstoffwechselstörung
5. Leichtgradiger diffuser Leberparenchymschaden ohne Einschränkung der Syntheseleistungen der Leber
6. Chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Fehlhaltung und ohne wesentliche Funktionseinschränkung
7. Leichte Gebrauchsminderung der linken Hand nach früherer knöcherner Verletzung.
Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Nach Anfrage des SG an den Kläger, ob aufgrund des negativen Gutachtens von Dr. G vom 08.09.2011 die Klage zurückgenommen werde, zeigte sich der damalige Prozessbevollmächtigte für den Kläger an und wies mit Schriftsatz vom 16.11.2011 darauf hin, dass der Kläger bislang nicht psychiatrisch untersucht worden sei. Beigefügt war ein Schreiben des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M vom 04.11.2011, wonach der Kläger wegen ständiger Auseinandersetzungen mit der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) seit einigen Wochen an Ein- und Durchschlafstörungen leide. Er leide ferner unter depressiven Symptomen, Stimmungsschwankun...