Entscheidungsstichwort (Thema)
Endscheidungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen. Streitgegenstand in der Sozialhilfe. Prüfungszeitraum einer Leistungsklage in der Sozialhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Wird vom Sozialhilfeträger Leistungsgewährung vollständig versagt, ist über den geltend gemachten Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen beim LSG zu entscheiden. Eines neuen Bescheides bedarf es dazu nicht (vgl. Urteile des BSG vom 22.03.2010, Az: B 4 AS 69/09 R, 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R, vom 11.12.2007, Az: B 8/9b SO 12/06 R, vom 11.11.2007 - B 8/9b SO 12/06 R, vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R sowie vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R).
2. Die Ablehnung der Leistung ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Urteil des BSG vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 12/06 R).
3. Ein einmal auf Grundsicherung gestellter Antrag wirkt über den Bewilligungszeitraum hinaus fort und ist nicht verbraucht; vgl. auch zur Arbeitslosenhilfe Urteil des BSG vom 25.05.2005, Az.: B 11a/11 AL 73/04.
4. Die der Grundsicherung für Erwerbsfähige § 35 SGB XII (früher: § 29 SGB XII) entsprechende Norm (§ 22 Abs. 1 SGB) II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (Beschluss des BSG vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R, Urteile des BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr. 19 und vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07). Dies gilt auch für die Träger der Sozialhilfe (vgl. Sozialhilferichtlinien 29.04 Abs. 5 zu den einmaligen Kosten für Heizmaterial im Monat der Beschaffung).
5. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl. z.B. BSG vom 25.02.2004, Az.: B 5 RJ 62/02 R).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1945 geborene Kläger ist jetzt Altersrentner und war zuvor mit einem Radiogeschäft selbstständiger Gewerbetreibender. Seit 29.03.2001 bezog er gem. § 240 SGB VI eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, später dann mit Bescheid vom 30. August 2005 eine Altersrente für schwer behinderte Menschen, im August 2009 in Höhe von 874,37 € (ab 01.01.2011 in Höhe von 876,83 €). Mit Bescheid vom 03.08.2009 bewilligte der Rentenversicherungsträger ab 01.09.2007 die Rente wegen unklarer Einkünfte des Klägers nur noch über 437,18 € als Teilrente in Höhe der Hälfte der Vollrente (§ 34 Abs. 2 SGB VI). Auf Widerspruch des Klägers und Anordnung der aufschiebenden Wirkung sicherte der Träger der Rentenversicherung mit Schreiben vom 16.10.2009 zu, die aufschiebende Wirkung zu beachten und die volle Rente nachzubezahlen (Beschluss des Sozialgerichts Augsburg - SG - vom 23.10.2009 - S 14 R 802/09 ER). Seit dem 01.01.2010 (Vollendung des 65. Lebensjahres) erhält der Kläger wieder laufend die volle Altersrente überwiesen.
Am 15.09.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten ergänzende Leistungen der Sozialhilfe. Er legte einen Überlassungsvertrag vom 30.07.2007, Nachweise über Hauslasten, verschiedene Versicherungen und eine Heizölrechnung vom 04.09.2007 (1514,20 €) vor. Für die bei der Continental Krankenversicherung AG abgeschlossene Krankheitskostenvollversicherung war für August 2009 ein Monatsbeitrag in Höhe von 505,04 € fällig, zusätzlich 40,64 € für die Pflegeversicherung. Aus dem weiter vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 2007 (vom 30.06.2009) ergaben sich geschätzte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.000 €. Auf Anforderung des Beklagten übersandte der Kläger zahlreiche ärztliche Gutachten und einen Einkommensteuerbescheid für 2006. Er machte weitere Angaben zu seinen Versicherungen und beantragte, Aufwendungen im Zusammenhang mit der Haltung seines Kfz Opel Astra wegen der Ausübung seiner Selbstständigkeit zu übernehmen. Er beantragte ferner die Kostenübernahme für die Anschaffung von 2.500 l Heizöl (Rechnung vom 26.10.2009 über einen Betrag von 1.514,28 €) und machte einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (natriumdefinierte und purinreduzierte Kost) geltend. Die Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung aus einer selbstständigen Tätigkeit sei aber während eines laufenden Jahres nicht möglich.
Mit Bescheid vom 01.12.2009 versagte der Beklagte Leistungen wegen fehlender Mitwirkung, nachdem der Kläger auch auf weitere Aufforderung keine Unterlagen über seine selbstständige Tätigkeit vorlegte.
Am 02.02.2010 hat der Kläger eine Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) gegen den Bescheid vom 01.12.2009 (Az.: S 15 SO 12/10) erhoben. Ein gleichzeitig geltend gemachter Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Ano...