Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Zuflussprinzip. Steuererstattung. Vermögensberücksichtigung
Orientierungssatz
Bei einer dem Hilfebedürftigen vor Beginn des Bedarfszeitraums zugeflossenen Steuererstattung handelt es sich um Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB 2.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juli 2006 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Die Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung von Steuererstattungen streitig.
Der Kläger zu 1. bezog bis 29.09.2005 Arbeitslosengeld (Alg) I. Am 22.09.2005 wurde für ihn und die übrigen Kläger Alg II beantragt. Zuvor hatten die Kläger zu 1. und 2. aufgrund des Steuerbescheides vom 22.08.2005 am 25.08.2005 eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 2.289,61 EUR und am 13.09.2005 eine Erstattung der Kirchensteuer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Höhe von 115,44 EUR erhalten. Am 26.09.2005 erfolgte die Erstattung des Katholischen Kirchensteueramtes in Höhe von 81,54 EUR.
Mit Bescheid vom 11.10.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 22. bis 30.09.2005 45,18 EUR und für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 jeweils 663,73 EUR. Hierbei zog sie von dem Gesamtbedarf von monatlich 1.366,25 EUR u.a. ein Zwölftel der Summe der Steuererstattungen, monatlich somit 207,22 EUR, ab.
Den gegen die Anrechnung der Steuererstattungen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2006 zurück. Einmalige Einnahmen seien von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, und über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.
Hiergegen haben die Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 12.07.2006 hat das SG die Beklagte verurteilt, Alg II für die Zeit vom 22.09.2005 bis 31.03.2006 ohne Anrechnung der Einkommensteuererstattung 2004 und der Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 zu gewähren. Einkommen sei all das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte, Vermögen hingegen das, was er in der Bedarfszeit bereits habe. Mittel, die der Hilfesuchende früher als Einkommen erhalten habe, seien Vermögen, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden seien. Beim Abstellen auf den tatsächlichen Zufluss werde nicht unzulässig an einen mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt angeknüpft, sondern einer aktuellen Notlage ein aktuelles Einkommen gegenübergestellt. Die Regelung des § 2 Abs.3 Satz 1 Alg II-V könne nicht als eine vom tatsächlichen abweichende normative Zuflussregelung interpretiert werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die geltend macht, die Qualifizierung als Einnahme sei von der Frage der Zurechnung zu einem bestimmten Bedarfszeitraum zu trennen. Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung sei nach dem Gegenwärtigkeitsprinzip grundsätzlich auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen. Dieser sei aber dann nicht maßgebend, wenn rechtlich - also normativ - ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt werde. Die Alg II-V spreche in ihrer amtlichen Begründung davon, dass Einkommen grundsätzlich all das sei, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte und Vermögen all das, was er in der Bedarfszeit bereits habe, es sei denn, der Zuflusszeitpunkt werde rechtlich anders bestimmt. Für die Steuererstattung gelte § 2 Abs.3 Alg II-V, wonach einmalige Einnahmen bei Überschreiten einer Bagatellgrenze von 50,00 EUR im Jahr von dem Monat des Zuflusses an zu berücksichtigen und über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen seien. Die Tatsache, dass die Einkommen- und Kirchensteuererstattung aus einem Zeitraum von zwölf Monaten resultiere, rechtfertige die Verteilung des normativen Zuflusses auf zwölf Monate.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 43, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG)liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Beklagte verpflichtet, Alg II ohne Anrechnung der Einkommensteuererstattung in Höhe von 2.289,61 EUR und der Kirchensteuer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Höhe von 115,44 EUR zu zahlen; nicht mehr streitig war die Anrechnung der Erstattung des katholischen Kirchensteueramtes in Höhe von 81,54 EUR, da insoweit vor dem SG eine Abänderung der Bescheide nicht mehr beantragt worden war.
Die hier noch streitigen Steuerstattungen sind den Klägern vor Beginn des Bedarfszeitraumes am 22.0...