Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlbarmachung von Ghettorenten. Berücksichtigung in einer anderen Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Staates
Orientierungssatz
Sind Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto bereits in einer Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Staates "enthalten", ist das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074) nicht anwendbar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die Klägerin, die 1926 geboren und Staatsangehörige der Tschechischen Republik ist, arbeitete in der Zeit vom 22.02.1942 bis 05.05.1945 im Ghetto T. als landwirtschaftliche Arbeiterin. Von 1945 bis 1948 besuchte sie eine Fachschule, war bis 1960 als Arbeiterin in der Landwirtschaft und Holzbearbeitung und anschließend bis 1980 als Beamtin und Buchhalterin tätig. Seit 01.05.1980 bezieht sie in ihrer Heimat Altersrente. Hierbei bestätigte der tschechische Rentenversicherungsträger die Zeit vom 22.02.1942 bis 05.05.1945 als anrechenbare Versicherungszeit nach tschechischem Recht.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 13.05.2003 eine Regelaltersrente und führte dazu aus, im Ghetto T. habe sie acht bis neun Stunden täglich gearbeitet und hierbei Bäume angepflanzt, Schafe gehütet und einen Gemüsegarten gepflegt. Die Beschäftigung sei auch außerhalb des Ghettos erfolgt. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig und durch eigene Bemühungen sowie durch Vermittlung des Judenrates zustande gekommen. Sie sei auf dem Weg zur und von sowie während der Arbeit durch Polizisten bewacht worden. Sie habe Ghettogeld erhalten. Am 09.05.1945 sei sie befreit worden. Einen Antrag auf eine Entschädigung nach dem Deutschen Bundesentschädigungsgesetz (BEG) habe sie nicht gestellt. Sie habe Ansprüche bei der Claims Conference und gegenüber dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Prag geltend gemacht. Sie legte eine Bescheinigung des Central and Eastern Fund for Holocaust Survivors (CEEF) über eine Vormerkung einer monatliche Beihilfe ab Juli 1998 vor.
Mit Bescheid vom 29.01.2004 lehnte die Beklagte den Antrag vom 13.05.2003 auf Regelaltersrente nach dem ZRBG ab und führte aus, die hierfür erforderliche allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sei nicht gegeben. Zeiten nach dem ZRBG könnten nur berücksichtigt werden, wenn nicht bereits ein anderes System der sozialen Sicherheit Leistungen daraus erbrachte habe. Hier sei die geltend gemachte Zeit der Beschäftigung im Ghetto T. bereits vom tschechischen Rentenversicherungsträger bei der Gewährung der Altersrente berücksichtigt worden. Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, die Ghetto-Arbeitszeiten seien vom tschechischen Versicherungsträger lediglich als Ersatzzeiten bewertet worden. Nach Sinn und Zweck des ZRBG seien jedoch solche Zeiten als Beitragszeiten anzuerkennen. Die vom tschechischen Versicherungsträger pauschal anerkannte Widerstandszeit stelle keine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit dar. Außerdem würde es sich um eine reine Ermessensentscheidung handeln, die vom Tschechischen Verteidigungsministerium vorgenommen werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Anwendung des ZRBG sei ausgeschlossen, soweit für die geltend gemachten Zeiten bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werde. Der tschechische Versicherungsträger habe neben Studien- und Pflichtversicherungszeiten vom 01.09.1945 bis 30.04.1980 die Zeit vom 22.02.1942 bis 05.05.1945 als Widerstandstätigkeit berücksichtigt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und vorgetragen, die vom tschechischen Versicherungsträger pauschal anerkannten Widerstandszeiten seien keine Beitragszeiten, sondern lediglich Ersatzzeiten. Eine Ersatzzeit könne aber einen Anspruch nach dem ZRBG nicht ausschließen. Das ZRBG spreche ausdrücklich von Ghetto-Beitragszeiten, so dass es erforderlich sei, dass die geltend gemachte Beschäftigungszeit auch tatsächlich als Beitragszeit in einem ausländischen System der sozialen Sicherheit bewertet werde. Die Anerkennung einer Widerstandszeit sei im Übrigen eine reine Ermessensentscheidung. Eine "Kann-Leistung" gelte aber nicht als eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit. Bei den vom tschechischen Versicherungsträger berücksichtigten Widerstandszeiten handele es sich außerdem um eine Entschädigungsleistung. Die Berücksichtigung einer Entschädigungsleistung sei im ZRBG ausdrücklich nicht vorgesehen w...