Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung: Rückwirkende Korrektur rechtswidrig begünstigender Honorarbescheide
Leitsatz (amtlich)
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer rückwirkenden Korrektur rechtswidrig begünstigender Honorarbescheide nicht entgegen, wenn sich der Vertragsarzt auf eine von ihm nicht verschuldete Unkenntnis der Tatsache beruft, dass eine Vergütungsgrundlage (Modellvertrag, Strukturvertrag) weggefallen ist.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.03.2012 aufgehoben und die Klage gegen den Richtigstellungsbescheid vom 14.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2008 abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Gebührenordnungsposition (GOP) 9605 auf Antrag der Beigeladenen.
Die Klägerin ist eine hautärztliche Gemeinschaftspraxis und nimmt in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den Quartal 1 bis 4/2004 rechnete sie insgesamt 70-mal die GOP 9605 für eine bei der Beigeladenen versicherte Patientin ab.
Diese Gebührenordnungsposition ist Bestandteil des Modellprojekts "Ambulante synchrone Balneo-Phototherapie", das nach einer Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern vom 09.12.2003 bis zu einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen und Vertragsärzte fortgeführt wurde. Mit Schreiben vom 30.12.2003 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie diese Entscheidung leider nicht mittragen könne. Daher könne sie nach dem Ende des Modellprojekts zum 31.12.2003 bis zur Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses keine weiteren Kosten mehr übernehmen. Die Beklagte teilte der Beigeladenen mit Schreiben vom 14.01.2004 mit, dass sie das Schreiben der Beigeladenen erst am 02.01.2004 erhalten habe. Sie werde den betroffenen Ärzten das Schreiben der Beigeladenen vom 30.12.2003 zukommen lassen und sie darauf hinweisen, ab sofort die Balneo-Photothera-pie bei IKK-Versicherten einzustellen. Mit Datum vom 02.02.2004 informierte die Beklagte alle Teilnehmer des Modellprojekts "Ambulante synchrone Balneo-Phototherapie", dass die IKK Bayern die Entscheidung der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände nicht mittragen könne und damit ab sofort keine weiteren Kosten mehr übernehme. Mit Schreiben vom 12.02.2004 informierte die Beigeladene die Beklagte, dass aufgrund der verzögerten Information an die Ärzte die Kosten für die Balneo-Phototherapie noch bis Ende dieser Woche, das heißt bis 15.02.2004, übernommen würden.
Mit Schreiben vom 27.10.2005 beantragte die Beigeladene eine Abrechnungsprüfung der Klägerin für die Zeit ab dem 16.02.2004. Daraufhin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.02.2006 eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung für die Patientin B.W. in Höhe von 3560,90 € vor für die Quartale 1 bis 4/2004. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 17.02.2006. Das Schreiben vom 02.02.2004, nach dem die Kosten für das Modellvorhaben nicht mehr übernommen werden sollten, sei nicht bekannt. Selbst wenn diese Information ergangen sein sollte, seien die Leistungen für das Quartal 1/2004 nicht zu beanstanden, da sie bereits erbracht waren. Die Klägerin habe keine Mitteilung über das Ausscheiden der Beigeladenen aus dem Modellvorhaben erhalten. Deshalb sei die Patientin auch in den Folgequartalen weiterbehandelt worden. Sie wies darauf hin, dass bei der Behandlung nach dem Modellvorhaben erhebliche Fixkosten zu zahlen gewesen seien. Mit Honorarbescheid vom 10.04.2006 für das Quartal 4/2005 wurde der streitgegenständlichen Betrag einbehalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zwar habe die Beklagte die Klägerin mit Rundschreiben vom Dezember darüber informiert, dass sich die bayerischen Regionalkassen mit der Fortführung des Modellvorhabens über den 31.12. hinaus einverstanden erklärt hätten. Die Beigeladene habe jedoch mit Schreiben vom 30.12.2003 der Beklagten mitgeteilt, dass sie der Fortführung des Modellprojekts nicht zustimme. Die Vertragsärzte seien über diesen Sachverhalt von der Beklagten mittels Sonderrundschreiben vom 02.02.2004 informiert worden. Die Absetzung der GOP 9605 bei den Versicherten der Beigeladenen in den Quartalen 1 bis 4/2004 sei somit zu Recht erfolgt.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Der richtiggestellte Betrag habe schon aus Vertrauensgesichtspunkten nicht zurückverlangt werden können. § 45 SGB X schränke die Rücknahmemöglichkeit erheblich ein. Die Berechtigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei aber insbesondere deshalb eingeschränkt, weil die Beklagte Honorarbescheide erlassen habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass der Anspruch nicht bestand. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die EDV der Beklagten den Fehler nicht sofort korrigiert habe. Die GOP 960...