Leitsatz (amtlich)
Mehraufwendungen für die Mittagsverpflegung von Schülern werden im Rahmen von § 28 Abs. 6 SGB II und § 6b BKGG übernommen, damit diese am sozialen Leben in der Schulgemeinschaft teilnehmen können.
Die Kosten selbst organisierter Mittagsverpflegung von Schülern können weder aus religiösen Gründen noch aus gesundheitlichen Gründen übernommen werden.
Eine Auszahlung der Mehrkosten an den Anspruchsteller ist auch wegen § 29 SGB II ausgeschlossen, der nur personalisierte Gutscheine oder Direktzahlungen gestattet.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für eine selbst organisierte Mittagsverpflegung der Schulkinder der Klägerin als Bedarf für Bildung und Teilhabe nach § 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zu übernehmen hat.
Die 1969 geborene Klägerin und Berufungsklägerin ist Mutter zweier Söhne, geboren am 07.09.1998 (M.) und am 26.01.2000 (M.). Sie lebt zusammen mit ihrem 1939 geborenen Ehemann und den beiden Kindern. Als Einkommen bezieht die Familie die Altersrente des Ehemanns, Kindergeld und Wohngeld.
Die beiden Kinder besuchen ein staatliches Gymnasium. An der dortigen Mensa werden täglich zwei Gerichte, darunter ein vegetarisches Gericht angeboten.
Am 23.03.2011 beantragte der Ehemann für die Kinder Leistungen für Bildung und Teilhabe. Mit Bescheid vom 19.04.2011 bewilligte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für beide Kinder. An die Schule wurden Kostenübernahmeerklärungen übermittelt. Auf die Frage nach einer Bestätigung der Schule über die Teilnahme an der Mittagsverpflegung teilte der Ehemann am 25.05.2011 telefonisch mit, dass seine Kinder regelmäßig am Mittagessen teilgenommen und das Essen in der Schule in bar bezahlt hätten.
Anfang August 2011 (in den Schulferien) beantragte der Ehemann, die Leistungen für die Mittagsverpflegung seiner Kinder ausgezahlt zu bekommen. Die Portionen seien viel zu klein und es würde keine Rücksicht genommen auf islamische Essensvorschriften. Die Kinder hätten die Möglichkeit, bei einem Kiosk/Imbiss-Stube Essen zu erwerben. Seine Kinder würden auch in diesem Fall mit anderen Kindern gemeinsam essen. Ein Sohn (M.) habe eine Lebertransplantation gehabt und dürfe kein Schweinefleisch essen. Auch aus religiösen Gründen würden die Kinder kein Schweinefleisch essen. Zwar biete die Schule täglich ein vegetarisches Gericht an, seine Kinder würden aber grundsätzlich keine vegetarischen Gerichte essen. Die Kinder würden nicht mehr am Schulessen teilnehmen. Die bisherige Bewilligung solle aufgehoben werden.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 wurde der Antrag auf Direktauszahlung abgelehnt und die bisherige Bewilligung aufgehoben. Die Übernahme der Kosten für einen externen Anbieter sei nicht möglich. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 26.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Ein Eilverfahren wegen der Auszahlung der Leistungen für die Mittagsverpflegung blieb erfolglos (Beschluss BayLSG vom 30.01.2012, L 7 BK 1/12 B ER).
Der Ehemann erhob am 07.02.2012 Klage zum Sozialgericht München. Der Bescheid sei aufzuheben und es seien Leistungen nach dem SGB II (Mehrbedarf für M.) sowie Mittagsverpflegung für beide Söhne in Höhe des Regelsatzes ab Antragstellung im August 2011 zu gewähren. Zur Lebertransplantation von M. wurde eine Bestätigung des Klinikums S. vom 02.11.2011 vorgelegt. M. solle demnach kein Schweinefleisch, keine Rohkost, keinen Rohmilchkäse und keine Nüsse zu sich nehmen. Der Ehemann legte auch eine Vollmacht der kindergeldberechtigten Klägerin vor. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt trug ferner vor, dass die beiden Kinder ihr Mittagessen von den Eltern erhalten würden, die es ihnen manchmal in der Früh mit in die Schule geben würden und manchmal auch direkt in die Schule bringen würden, insbesondere warme Speisen.
Das Jobcenter A-Stadt wurde vom Sozialgericht zum Rechtsstreit beigeladen.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.07.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG entsprächen gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift den Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs. 2 bis 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach § 28 Abs. 6 SGB II werden bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung die entstehenden Mehraufwendungen für Schüler berücksichtigt, sofern die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten werde. Daran fehle es hier. Zweck der Leistung sei die gemeinsame Einnahme von Essen mit anderen Schülern in der Schule, mithin die Teilhabe am sozialen Leben in der Schule.
Die Schulverpflegung werde aus anderen Gründen (Geschmack der Kinder, religiöse Gründe, gesundheitliche Grü...