Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Ausbildungsförderung. abstrakte Förderungsfähigkeit des Studiums. Altersgrenze. Zweitstudium. besonderer Härtefall
Orientierungssatz
1. Der Leistungssauschluss des § 7 Abs 5 SGB 2 greift bereits dann, wenn die Ausbildung nur dem Grunde nach nach dem BAföG objektiv förderungsfähig ist (Anschluss an BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R = FEVS 59, 289).
2. Der altersbedingte Ausschluss von Ausbildungsförderungsleistungen nach § 10 Abs 3 S 1 BAföG oder der Ausschluss der Förderung eines Zweitstudiums nach § 7 Abs 1, Abs 2 BAföG nimmt der Ausbildung nicht ihre abstrakte Förderungsfähigkeit iS von § 7 Abs 5 SGB 2. Auch soweit der Immatrikulierte zur maßgebenden Zeit gesundheitlich nicht in der Lage ist, überhaupt Arbeitkraft in das Studium zu investieren, kann über § 2 Abs 5 S 1 BAföG der Ausbildung die Förderungsfähigkeit nach BAföG nicht abgesprochen werden.
3. Ein besonderer Härtefall iS von § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 kann dann angenommen werden, wenn wegen der Ausbildungssituation ein besonderer Bedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit (Anschluss an BSG, aaO).
4. Drängt sich nach dem bisherigen Studienverlauf und aufgrund der gesundheitlichen Problematik die Prognose auf, dass der erfolgreiche Abschluss des Studiums erst mittel- bis langfristig zu erwarten ist, und bestehen Zweifel an der gesundheitlichen Eignung für die angestrebte Berufstätigkeit, so liegt kein besonderer Härtefall nach § 7 Abs 5 S 2 vor.
Tenor
I. |
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Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Parteien streiten, ob dem Kläger ab März 2007 Leistungen zustehen, obwohl er an der Universität S immatrikuliert war und ist.
Der Kläger ist 42 Jahre alt und allein stehend. Er ist Diplom-Ingenieur für Werkstoffwissenschaften (Studium an der FH N von Oktober 1987 bis Juli 1991). Nach Abschluss des Ingenieurstudiums war der Kläger mehrere Jahre einschlägig beschäftigt. Seit 2003 ist er arbeitslos.
Der Gesundheitszustand des Klägers lässt es zu, dass dieser unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Nichtsdestotrotz leidet er an erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Agentur für Arbeit A erstellte für ihn im Rahmen einer Eignungsuntersuchung ein psychologisches Gutachten vom 31.01.2007. Dort heißt es, beim Kläger sei es aufgrund von Mobbing zu einem "Burnout" gekommen. 1995 habe er erstmals Depressionen entwickelt. In dem Gutachten wird eine konzentrative Minderbelastbarkeit ("unterdurchschnittlich") festgestellt; sein Arbeitstempo sei eher langsam. Aus psychologischer Sicht erscheine es derzeit unwahrscheinlich, dass der Kläger an seine letzten Arbeitstätigkeiten anknüpfen könne. Verantwortungsvolle Tätigkeiten verbunden mit Umsatz- und Zeitdruck werde er in absehbarer Zeit wohl nicht mehr ausüben können.
Bereits seit Oktober 1992 betreibt der Kläger ein Ergänzungsstudium im Bereich Maschinenwesen an der Universität S (Diplomstudiengang). Laut Studien- und Prüfungsordnung für den Diplomstudiengang Maschinenwesen vom 01.04.2001 beträgt die Regelstudienzeit neun Semester einschließlich der Zeit für das Anfertigen der Diplomarbeit. Das viersemestrige Grundstudium schließt mit der Diplom-Vorprüfung, das fünfsemestrige Hauptstudium mit der Diplomprüfung ab. Das Lehrangebot erstreckt sich über acht Semester. Das Grundstudium enthält weitgehend einheitliche Grundlagenfächer. Das Hauptstudium bietet fünf spezielle Studienrichtungen. Es umfasst acht Pflichtfächer, ein nichttechnisches Fach, zwei Hauptfächer mit Studienarbeit und die Diplomarbeit.
Die Universität S hatte einen Bescheid über Prüfungsleistungen vom 16.12.2004 erlassen. Daraus geht hervor, dass sich der Kläger in der Phase der Diplomprüfung, also des Abschlusses des Hauptstudiums, befindet. Seine beiden Hauptfächer sind Umweltschutz- und Sicherheitstechnik sowie mechanische Verfahrenstechnik. Die Fachprüfung in Umweltschutz- und Sicherheitstechnik hat der Kläger bestanden, die in mechanischer Verfahrenstechnik noch nicht; zu Letzterer hatte er sich 1995 angemeldet, sie aber noch nicht absolviert. Gleiches gilt für die Studienarbeit in Umweltschutz- und Sicherheitstechnik. Die Studienarbeit in mechanischer Verfahrenstechnik wurde ihm aus seinem Fachhochschulstudium anerkannt. Weiter hat der Kläger ein Praktikum Messtechnik bestanden, die Fachprüfungen in technischer Strömungslehre, Wärme- und Stoffübertragung (aus FH-Studium anerkannt), Werkstofftechnik (im Septem...