Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenerstattungsanspruch des nach Verlassen einer Einrichtung für den Leistungsberechtigten auch weiterhin örtlich zuständigen Sozialhilfeträgers gegen den Sozialhilfeträger am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor Aufnahme in die Einrichtung. Anforderungen an die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts. Überlagerung des vom Leistungsberechtigten geäußerten Willens durch eine massive seelische Behinderung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs 3 S 2 SGB 1. Entscheidend sind insoweit die näheren Umstände der Unterkunft und des Aufenthalts sowie die Qualität und Quantität der am Aufenthaltsort entstandenen persönlichen Bindungen, wobei auf die subjektiven und die objektiven Merkmale abzustellen ist.
2. Auch wenn es sich bei dem subjektiven Element zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts um einen tatsächlichen Willen und nicht um eine rechtlichen Willen handelt und davon auszugehen ist, dass auch ein psychisch Kranker einen Willen zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts haben kann, überlagert hier die massive seelische Behinderung den von der leistungsberechtigten Person geäußerten Willen.
3. Aus dem Gesundheitszustand der leistungsberechtigten Person ergeben sich nachhaltige Hinderungsgründe an der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in O.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten zu 1 (Stadt S.) gegen das Urteil des SG Augsburg vom 11. Dezember 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zu 1 verurteilt wird, an die Klägerin (Stadt K.) 43.886,86 € zu zahlen.
II. Die Beklagte zu 1 (Stadt S.) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Übernahme der Sozialhilfeaufwendungen für die 1954 geborene A. O. nachfolgend leistungsberechtigte Person (LB) genannt.
Die LB kam Mitte 2005 nach dem Verlust ihrer letzten Wohnung in H. als Obdachlose und Wohnungssuchende nach S., wo sie früher bereits gewohnt hatte. Sie beantragte bei der Beklagten zu 1 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit und Unterstützung bei der Wohnungssuche, was sich aber auch mit Hilfe einer vom Amtsgericht S. am 08.08.2005 bestellten Betreuerin (Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt) als schwierig erwies, da die LB psychisch stark auffällig war. Die Beklagte zu 1 ermittelte, dass die LB dauerhaft voll erwerbsgemindert und hilfebedürftig war und bewilligte ihr Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Infolge ihrer psychischen Erkrankung war die LB mehrfach stationär in der Psychiatrie des KKH S. aufgenommen worden, bevor sie zum 01.02.2006 in S. in der A-Straße. 28 a eine Wohnung anmietete.
Die LB griff jede Verwaltungsentscheidung der Beklagten zu 1 mit Widersprüchen und Klagen bzw Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz zum Sozialgericht Dortmund an. Der persönliche Umgang mit ihr gestaltete sich äußerst schwierig.
Am 03.09.2006 beantragte die LB die Gewährung von Umzugs- und Maklerkosten, weil sie in eine nicht näher bezeichnete ländliche Gegend umziehen wolle. Sie kündigte ihre Wohnung in S. und ihr Girokonto ohne Wissen der Betreuerin zum 31.10.2006, verblieb aber unverändert in der Wohnung, die vom Vermieter trotz bestehender Schwierigkeiten mit der LB nicht zwangsgeräumt wurde. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu dem beabsichtigten Umzug gab die LB am 08.02.2007 an, dass sie gedenke, ihren Aufenthaltsort nach O. zu verlegen und ihren ständigen Wohnsitz auch dort begründen wolle.
Nachdem es bei den Vorsprachen der LB bei der Beklagten zu 1 regelmäßig zu Auseinandersetzungen gekommen war, beauftragte diese ab Januar 2007 jeweils unterschiedliche Taxifahrer, die Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Beklagten zu 1 abzuholen. Diese Vorsprachen erfolgten am 10.01.2007, am 23.02.2007 und am 02.03.2007, wobei die Bevollmächtigten jeweils angaben, dass sich die LB weiterhin in S. in ihrer Wohnung in der A-Straße aufhalte und daraufhin Hilfeleistungen für die Monate Januar, Februar und März 2007 ausgehändigt erhielten .
Am 04.04.2007 meldete sich die LB telefonisch bei der Beklagten zu 1. Sie werde derzeit im Bezirkskrankenhaus in K. stationär behandelt und wolle langfristig nach O. ziehen und auf jeden Fall in Bayern bleiben. Es wurde vereinbart, dass zunächst das Taschengeld für April 2007 an das Krankenhaus überwiesen werde.
Die Betreuerin der LB teilte der Beklagten zu 1 am 13.04.2007 mit, dass sie davon ausgehe, dass die LB nicht nach S. zurückkehren werde. Am 20.06.2007 teilte die Betreuerin mit, dass das Betreuungsverfahren vom AG S. an das AG K. abgegeben werde, weil die LB plane, sich nach der Krankenhaus-Entlassung dort niederzulassen. Die Wohnung der LB in S. wurde im Juni 2007 zwangsgeräumt.
Das Bezirkskrankenhaus (BKH) K. bestätigte am 05.04.2007, dass sich die LB seit 11.03.2007 bis auf weiteres freiwillig in stationärer Behandlung befinde, und übersandte Unterlagen zur Klärung des Aufenthaltes der LB:
Die Beklagte z...