Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klageänderung. Anfechtungs- und Leistungsklage statt Antrag auf Zusicherung. Sachdienlichkeit. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Wahltarif. Anspruch auf Zusicherung. Bestimmtheitsgebot. Ermessensleistung. Übernahme angemessener Aufwendungen. Basistarif. Bedarfsdeckung. Sicherstellungsauftrag. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Versorgungssituation bei im Basistarif Versicherten.

2. Die Erstattung des Basistarifes deckt den Bedarf in der Sozialhilfe.

3. Zur Vereinbarkeit einer Versicherung im Basistarif mit Grundrechten.

4. Zu den Voraussetzungen einer Klageänderung.

5. Weiterführung des LSG München vom 19.7.2011 - L 8 SO 26/11 = FEVS 63, 359.

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf eine Zusicherung als ein der eigentlichen Leistungsbewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt setzt wegen des Bestimmtheitsgebots in § 34 Abs 1 S 1 SGB 10 voraus, dass der Gegenstand des zuzusichernden Verwaltungsaktes und der zugrunde liegende Sachverhalt bereits im Zeitpunkt der behördlichen Erklärung hinreichend konkretisiert sind (vgl BSG vom 17.12.2014 - B 8 SO 15/13 R = FEVS 66, 538).

2. Die Erteilung der Zusicherung steht im Ermessen der Behörde.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.03.2017; Aktenzeichen B 8 SO 7/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. November 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um nicht im Basistarif erstattete Behandlungskosten in Höhe von 74,07 € sowie um die zukünftige Berücksichtigung eines Beitrags des Wahltarifs anstelle des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung als Bedarf.

Die Klägerin war bis 2009 als Fachanwältin für Sozialrecht tätig. Bis Juni 2010 hatte sie Arbeitslosengeld II u.a. mit einem Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 1 SGB Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten. Seit Juli 2010 erhält die Klägerin von der Beklagten Leistungen nach dem SGB XII und ist im Basistarif beim M.V. privat gegen Krankheit und wegen Pflege versichert.

Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und bezieht eine Erwerbsminderungsrente aus der Anwaltsversorgung. Sie bezog zunächst mit Bescheid vom 13.12.2012 Hilfe zum Lebensunterhalt (drittes Kapitel des SGB XII). Den Gesamtbedarf setzte die Beklagte neben den Unterkunftsleistungen und der Regelleistung samt Aufstockungsbetrag mit den Beiträgen im Basistarif zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung an. In diese Periode fielen Kosten einer Vorsorgeuntersuchung der Uniklinik A-Stadt vom 13.03.2013 über 128,28 €, die nur in Höhe von 95,55 € von der Versicherung erstattet worden sind (Abrechnung vom 22.04.2013).

Mit Bescheid vom 13.12.2013 bewilligte die Beklagte erstmals Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Bewilligungszeitraum umfasst die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.01.2015.

Am 24.03.2014 stellte der behandelnde Zahnarzt eine Rechnung an die Klägerin über 129,67 €, von der von der privaten Krankenversicherung nur ein Betrag in Höhe von 55,60 € übernommen wurde (Abrechnung vom 08.05.2014).

Mit Bescheid vom 02.12.2014 bewilligte die Beklagte die Grundsicherung für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 31.01.2016. Die private Krankenversicherung fand als Bedarf Berücksichtigung in Höhe von 313,88 €, die Pflegeversicherung in Höhe von 14,40 €. Mit Änderungsbescheid vom 05.12.2014 wurde die Erhöhung der Krankenversicherung um 6,19 € erfasst.

Zwischenzeitlich erging ein weiterer Bescheid am 13.01.2016 mit Wirkung bis zum 31.01.2017. In diesem wurde der Bedarf für die private Krankenversicherung weiterhin in Höhe von 313,69 eingestellt bzw. für die Pflegeversicherung in Höhe von 14,40 €.

Am 24.02.2015 beantragte die Klägerin, ab 01.03.2015 die Kosten ihrer Kranken-/Pflegeversicherung im Wahltarif, einschließlich eines eventuellen Risikozuschlags sowie des tariflichen Selbstbehalts in Höhe von 1000 € jährlich bei der Berechnung ihres Bedarfs vom anzurechnenden Einkommen abzusetzen. Darüber hinaus beantragte sie die Übernahme der Behandlungskosten von 32,73 € und 74,07 €, die von der Versicherung im Basistarif nicht erstattet worden sind.

Mit Bescheid vom 18.03.2015 lehnte die Beklagte den Antrag vom 24.02.2015 ab. Der Widerspruch der Klägerin vom 20.04.2015 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 23.07.2015. Mit dem Basistarif erhalte die Klägerin eine ausreichende medizinische Versorgung.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.08.2015 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 106,80 € beantragt sowie zur Berücksichtigung der Aufwendungen für eine private Krankenversicherung zum Wahltarif einschließlich eines Risikozuschlages und eines Selbstbehaltes ab de...

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