Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit als Bereitschaftsarzt in einem Krankenhaus. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus ist regelmäßig abhängige Beschäftigung des diesen Dienst leistenden Arztes.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.06.2019; Aktenzeichen B 12 R 5/19 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X betreffend ein Statusfeststellungsverfahren die Feststellung, dass ihre Tätigkeit als Ärztin (Fachgebiet Innere Medizin) bei der Beigeladenen zu 1) als selbstständige Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig war.

Die Klägerin war bis 30.06.2012 in einem Krankenhaus abhängig beschäftigt und schied dort wegen Krankheit aus. Auf Antrag bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin einen Existenzgründungszuschuss ab dem 02.10.2012 für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Ärztin mit der Gründungsidee, dass die Klägerin ihre Dienstleistungen als Honorarärztin/Notärztin anbieten werde.

Auf Vermittlung einer Online-Agentur schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) mit Datum vom 12.09.2012 folgende "freie Vereinbarung/Vertrag":

1. Frau A. übernimmt im folgenden Zeitraum eine Vertretung für "Ärztin der Inneren Medizin" am Krankenhaus Bad K.

am 05.10.2012,

vom 09.10.2012 bis 12.10.2012 und

vom 16.10.2012 bis 19.10.2012.

Bei dieser Vertretung ist die Ärztin freiberuflich tätig. Die Honorarvertreterin verpflichtet sich, die ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft persönlich wahrzunehmen, mit der leitenden Ärztin der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung sowie den sonstigen Mitarbeitern der Klinik zusammenzuarbeiten und über alle ihr bei ihrer Vertragserfüllung bekanntwerdenden Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.

2. Das Honorar für die Zeit der Vertretung beträgt bei freier Kost und Wohnung 70 Euro pro Stunde Tagverdienst brutto für netto.

Bereitschaftsdienste werden mit 90 % des Stundenhonorars vergütet.

Im genannten Zeitraum werden nur Bereitschaftsdienste geleistet.

3. Das Honorar gem. Ziffer 2 dieser Vereinbarung wird der Vertreterin nach Rechnungsstellung überwiesen. Honorar wird nur für tatsächlich geleistete Dienste gewährt. Frau A. verpflichtet sich, die Zahlung zu versteuern. Fahrtkosten werden nicht erstattet.

4. Die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers erstreckt sich in vollem Umfang auch auf die Vertretertätigkeit und schließt auch die s.g. Privat- und Ambulantpatienten ein."

Im vereinbarten Zeitraum leistete die Klägerin Bereitschaftsdienste, die mit einem Stundenhonorar von 63,00 Euro brutto vergütet wurden. Die Bereitschaftsdienste erstreckten im Regelfall von 16.30 bis 08.30 Uhr des Folgetages.

Am 09.10.2011 beantragten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten für diese Tätigkeit eine Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 SGB IV.

Nach Anhörung der Betroffenen stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 23.01.2013 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Vertretungsärztin für Innere Medizin bei der Beigeladenen zu 1) am 05.10.2012, vom 09.10.2012 bis 12.10.0212 sowie vom 16.10.2012 bis 19.10.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Der von der Klägerin am 13.03.2013 verspätet eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten als Antrag gemäß § 44 SGB X behandelt. Mit Bescheid vom 14.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 entschied die Beklagte, dass ihr keine neuen inhaltlichen Erkenntnisse vorlägen und daher der Bescheid vom 23.01.2013 nicht zu beanstanden sei. Im Bescheid vom 13.01.2013 waren als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden:

- Die Klägerin behandle die von der Beigeladenen zu 1) stationär aufgenommenen Patienten. Es handle sich um die Tätigkeit in der Funktion einer Ärztin in einem Klinikum; eigene Patienten würden nicht behandelt.

- Die Klägerin sei gegenüber dem Personal weisungsberechtigt.

- Gegenüber dem Chefarzt oder den Oberärzten der Klinik bestehe Weisungsgebundenheit.

- Vorab festgelegte Arbeitszeiten seien einzuhalten.

- Ein unternehmerisches Risiko bestehe bei Ausübung der Tätigkeit nicht, die Klägerin setze insbesondere kein eigenes nennenswertes Kapital ein.

- Die Tätigkeit werde in einer fremd bestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt.

- Die Teilnahme an der Mitarbeiterverpflegung während ihres Einsatzes sei kostenlos.

- Eine angemessene Unterkunft werde der Klägerin ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

- Die Haftpflichtversicherung der Beigeladenen zu 1) erstrecke sich im vollen Umfang auch auf die Vertretertätigkeit der Klägerin.

Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich, dass die...

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