Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentzug bei sexuellen Übergriffen auf Auszubildende. Verwertung von Feststellungen aus rechtskräftig abgeschlossenen Strafbefehlsverfahren
Orientierungssatz
1. Sexuelle Übergriffe eines Arztes gegen die von ihm Auszubildenden stellen gröbliche Verletzungen seiner vertragsärztlichen Pflichten dar und erweisen ihn als ungeeignet für die Tätigkeit im Beruf und somit auch in der vertragsärztlichen Tätigkeit (vgl BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B). Dies gilt in gleicher Weise auch dann, wenn ein Ausbildungsverhältnis zwar noch nicht zustande gekommen ist, aber in Aussicht genommen ist, zumal dann, wenn die Übergriffe durch die in Aussicht gestellte Tätigkeit ermöglich werden (vgl BSG vom 31.3.2006 - B 6 KA 69/05 B).
2. Die Verwerfung der Feststellungen aus rechtskräftig abgeschlossenen Strafbefehlsverfahren unterliegt keinen Einschränkungen. Die in einem rechtskräftigen Strafbefehl getroffenen Feststellungen sind ebenso beachtlich wie die Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil. Sie könnten also iS eines Präjudizes im späteren Zulassungsentziehungsverfahren zugrunde gelegt werden (vgl BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.10.2008 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In diesem Rechtsstreit geht es um die Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 17. März 1993 wurde der 1959 geborene Kläger in U als Radiologe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Das Amtsgericht Memmingen, Schöffengericht, verurteilte den Kläger am 28. April 2005 zu zwei Jahren und elf Monaten Haft wegen Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung. Außerdem verbot es ihm die Ausübung des Arztberufes für zwei Jahre insoweit, dass er bei der Behandlung von Patienten und der Einstellung von Mitarbeitern in die Arztpraxis mit Personen weiblichen Geschlechts keinen unmittelbaren Kontakt aufnehmen durfte, insbesondere keine körperlichen Untersuchungen weiblicher Personen vornehmen durfte. Bereits zuvor hatte das Amtsgericht wegen der der Verurteilung zugrunde liegenden Tatbestände am 22. Januar 2004 gegen den Kläger ein vorläufiges vollständiges Berufsverbot gemäß § 132 a Strafprozessordnung (StPO) verhängt, dieses aber mit Beschluss vom 30.01.2004 wieder aufgehoben. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte das Landgericht Memmingen mit Beschluss vom 27. Februar 2004 den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Januar 2004 wieder aufgehoben und dem Kläger erneut die Ausübung des Arztberufs mit sofortiger Wirkung verboten.
Gegen das Urteil des Schöffengerichts vom 28. April 2005 haben sowohl der Angeklagte, also der Kläger des hier vorliegenden Verfahrens - im Folgenden als Kläger bezeichnet -, als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Das Landgericht Memmingen hat mit Urteil mit 25. Oktober 2006 die Berufung des Klägers verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin das Urteil des Schöffengerichts dahingehend abgeändert, dass der der Kläger, wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Ferner wurde ihm die Ausübung des Arztberufes für ein Jahr insoweit verboten, dass er bei der Behandlung von Patienten und der Einstellung von Mitarbeitern in die Arztpraxis keine körperlichen Untersuchungen und Behandlungen weiblicher Personen vornehmen darf.
In dem Urteil, dem eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme und insgesamt 15 Verhandlungen vorausgegangen waren, wird dem Kläger folgender Sachverhalt zur Last gelegt: Am 28. September 2003 habe er auf Überweisung eines Neurologen eine kernspintomographische Untersuchung der damals 17-jährigen Zeugin und Nebenklägerin M B. vorgenommen, bei der es um eine Untersuchung des Schädels wegen seit längerer Zeit andauernder Kopfschmerzen ging. Bei der Untersuchung sei der Kläger persönlich anwesend gewesen. Die Patientin sei nur mit einem Slip bekleidet gewesen. Nach Auswertung der Bilder habe der Kläger der Patientin erklärt, bei der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf einen krankhaften Zustand ergeben, insbesondere keine Thrombose und kein Tumor. In dem anschließenden persönlichen Gespräch habe er erfahren, dass die Patientin - im Folgenden als Zeugin B. bezeichnet -, aufgrund der Insolvenz ihrer Ausbildungsfirma keinen sicheren Arbeitsplatz mehr hatte. Er habe erkannt, dass sie naiv und vertrauensselig sei und sich entschlossen, diese unter Ausnützung seiner Vertrauensstellung als Arzt zur Einwilligung in eine gynäkologische Untersuchung zu bewegen. Er habe ...