Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Ursächlicher Zusammenhang. Posttraumatische Belastungsstörung. Vorschaden. Sachverständiger Zeuge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Anspruch auf eine Rente nach § 56 SGB VII setzt voraus, dass zwischen dem Arbeitsunfall und der (psychischen) Erkrankung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Macht der Versicherte eine Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung durch den Unfall geltend, müssen der Vorschaden und der unfallbedingte Verschlimmerungsanteil abgrenzbar sein.

2) Ein sachverständiger Zeuge kann nicht zur Frage der Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Erkrankung vernommen werden.

 

Normenkette

SGB VII § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; SGG §§ 106, 109

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folgen des Unfallereignisses vom 11. Oktober 2001 anzuerkennen sind und dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 50 v.H. zu gewähren ist.

Der 1955 geborene Kläger war Angestellter der Raiffeisenbank G. ; derzeit bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit. Er wurde am 11. Oktober 2001 Opfer eines bewaffneten Banküberfalls. Dabei wurde er von dem Täter mit einer (Schreckschuss-)Pistole bedroht. Nach Herausgabe eines Geldbetrages verließ der Täter das Bankgebäude. Der Überfall dauerte ein paar Minuten.

Am 10. April 2002 ging die Unfallanzeige der Bank ein. Darin merkte die Arbeitgeberin an, dass sich der Kläger schon vor dem Überfall seit Monaten wegen verschiedener Beschwerden in ärztlicher Behandlung befunden habe. Mehrmals sei ihm angeraten worden, sich psychologisch behandeln zu lassen. Auch sei kurz vor dem Überfall ein Kuraufenthalt genehmigt und angetreten worden. Seit Oktober 1998 ist der Kläger in Behandlung bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie K. .

Der Kläger berichtete nach dem Überfall über Angstzustände, Depressionen, Schlaflosigkeit und Magengeschwüre. Er nehme Psychopharmaka ein.

Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und beauftragte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Dr. K., mit der Erstellung eines nervenärztlichen Zusammenhangsgutachtens. Diese berichtete von einem depressiven Syndrom, das jedoch als unfallunabhängig einzustufen sei. Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse ergebe sich, dass der Kläger seit 1998 kontinuierlich in psychiatrischer Behandlung stehe und seitdem ununterbrochen Psychopharmaka einnehme. Durch den Überfall sei es lediglich zu einer vorübergehenden psychischen Erkrankung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen. Die psychischen Symptome, Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung, seien bis Ende November 2001 mit Wahrscheinlichkeit abgeklungen gewesen. Fortbestehende psychische Störungen seien unfallunabhängig. Die unfallbedingte MdE betrage vom 11. Oktober bis 5. November 2001 20 v.H., bis 30. November 2001 10 v.H.; ab 1. Dezember 2001 läge keine messbare MdE mehr vor.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2002 erkannte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis 5. November 2001 an, lehnte jedoch die Gewährung einer Rente ab. Als Folge des Unfalls habe nur eine vorübergehende seelische Reaktion mit Zeichen einer posttraumatischen Belastungsreaktion bestanden. Keine Folge des Unfalls sei ein depressives Syndrom. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte weitere ärztliche Befundberichte sowie den Entlassungsbericht der psychosomatischen Fachklinik W. vom 30. Mai 2003 ein, wonach der Kläger an einer Anpassungsstörung nach belastendem Ereignis (ICD-10: F 43.21), einer rezidivierenden depressiven Störung, einer gegenwärtig schweren Episode ohne psychotische Symptome, sowie einem Erschöpfungs- bzw. Burn-out-Syndrom leide. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2003 zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg und beantragte, ein depressives Syndrom mit seinen Auswirkungen als Unfallfolge sowie eine MdE in Höhe rentenberechtigenden Grades festzustellen. Zur Begründung der Klage legte er ein Attest des Psychiaters und Psychotherapeuten K. vom 16. Februar 2004 sowie des Dipl.-Psych. M. vom 18. Februar 2004 vor.

Das Sozialgericht holte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. S. vom 1. Februar 2005 ein, das dieser aufgrund der Nichteinhaltung der Untersuchungstermine nach Aktenlage erstellte. Als Folge des Unfalls bestehe eine Anpassungsstörung. Vorbestehend sei eine Depression zu berücksichtigen. Durch den Banküberfall sei es allenfalls zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der vorbestehenden ängstlich-depressiven sowie einer psychosomatischen Symptomatik gekommen. Unfallbedingt sei nur eine ze...

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