Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschiedenenwitwenrente. Ermittlung des angemessenen Unterhalts. Anwendung der Differenzmethode. wirtschaftliche Verhältnisse vor dem Tod. Zahlung von Pflegegeld der Stufe 2

 

Orientierungssatz

1. Zur Berechnung des Unterhaltsbeitrages und Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tod des Versicherten bei Zahlung von Pflegegeld der Stufe 2 wegen einer Krankheit, die letztlich zum Tode führte.

2. Bei Doppelverdienern legt der Senat die Differenzmethode zugrunde, weil die ehelichen Lebensverhältnisse durch das Einkommen beider Ehegatten geprägt werden. Danach wird das Einkommen der Ehefrau von dem - höheren - Einkommen des Ehemannes abgezogen und von dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag eine bestimmte Quote als angemessener Bedarf festgestellt (vgl BGH vom 23.11.1983 - IVb ZR 21/82 = BGHZ 89, 108 und BGH vom 23.11.1983 - IVb ZR 15/82)

3. Ein Unterhaltsbeitrag stellt nach § 60 EheG 1946 einen Unterhaltsanspruch nach § 243 SGB 6 dar (Anschluss an BSG vom 9.2.1978 - 11 RA 14/77 = BSGE 46, 11 = SozR 2200 § 1265 Nr 29).

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als frühere Ehefrau des ... 1996 verstorbenen Versicherten E R von der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente (sogenannte Geschiedenenwitwenrente).

Die Klägerin ist die geschiedene Ehefrau des bei der Beklagten versichert gewesenen E R (geboren ... 1930, verstorben ... 1996). Die am 25.06.1955 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 26.05.1966 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Der Versicherte verpflichtete sich in einem vor dem LG Aschaffenburg am 29.04.1996 abgeschlossenen Vergleich, für die Klägerin monatlich 90,- DM Unterhalt zu zahlen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kind E (geboren ... 1961) eingeschult wurde; ab diesem Zeitpunkt verzichtete die Klägerin auf Unterhaltsansprüche. Der Versicherte verzichtete auf Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auch für den Fall des Notbedarfs.

Die Beigeladene ist die Witwe des Versicherten aus dritter Ehe (Eheschließung am 25.02.1989). Sie bezieht von der Beklagten seit dem 01.02.1996 eine große Witwenrente nach dem Versicherten. Das vom Versicherten am 07.07.1995 beim Amtsgericht Aschaffenburg eingeleitete Scheidungsverfahren wurde durch den Tod des Versicherten beendet (...). Die zweite Ehefrau des Versicherten (M R) ist ... 1978 verstorben.

Der Versicherte bezog ab 01.05.1992 Altersrente, die ab 09/1995 netto 2.458,79 DM betrug und eine Zusatzrente in Höhe von 598,90 DM netto (ab 01.08.1995). Der Versicherte und die Beigeladene lebten seit 12.05.1994 getrennt; aufgrund eines vor dem Amtsgericht Aschaffenburg am 22.11.1994 geschlossenen Vergleichs war der Versicherte verpflichtet, der Beigeladenen ab 01.12.1994 monatlich einen Ehegattenunterhalt in Höhe von 900,- DM für die Dauer des Getrenntlebens zu bezahlen. Mit einer seit 25.07.1995 beim AG Aschaffenburg rechtshängigen Klage hatte der Versicherte versucht, diesen Vergleich im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand abzuändern. Er litt an einem Tumor im Kopf (Operation am 24.03.1995) und bezog deshalb von der Pflegekasse Leistungen für Pflegebedürftige der Pflegestufe I ab 06.04.1995 und der Stufe II ab 17.10.1995. Mit Beschluss des AG Aschaffenburg vom 11.08.1994 wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 22.11.1994 einstweilen eingestellt. Das AG ging davon aus, der Versicherte sei im Hinblick auf eine ganztags notwendige Pflegekraft, für die ein finanzieller Aufwand von 1.500,- DM anzusetzen sei, nicht leistungsfähig. Aufgrund seiner derzeitigen wirtschaftlichen Situation sei er auch nicht in der Lage, eine Sicherheitsleistung zu erbringen. Die Beigeladene bezog deshalb ab August 1995 Leistungen der Sozialhilfe. Der Versicherte zahlte jedoch im Jahr 1995 monatlich 900,- DM an seinen jüngsten Sohn aus zweiter Ehe, den Zeugen M R, der damals Student an der FHS D war.

Die Klägerin bezog zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine Altersrente in Höhe von 606,20 DM monatlich sowie eine Betriebsrente in Höhe von 84,40 DM monatlich und laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 259,- DM monatlich.

Am 01.02.1996 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten, da sie im letzten Jahr vor dessen Tod von diesem Unterhalt in Höhe von 500,- DM monatlich erhalten habe. Von Mai 1995 bis zum Tode des Versicherten habe sie mit diesem einen gemeinsamen Haushalt geführt. Zum Beweis legte sie eine Überweisung der Hypobank A vom 08.01.1996 vor, aus der sich eine Überweisung des Versicherten an die Klägerin am 05.01.1996 in Höhe von 500,- DM als Unterhalt ergibt.

Mit Bescheid vom 29.04.1996 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen ab, weil eine regelmäßige Unterhaltsleistung nicht erbracht worden sei. Ein Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz bestehe nicht, da die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden sei und nur derjenige einen Unterhaltsanspruch habe, der sich nicht selbst unterhalten könne. Die Kl...

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