Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des deutsch-polnischen Entsendeabkommens. Ausnahmen vom Territorialprinzip für entsandte Arbeitnehmer. Analogie zum EU-Recht
Orientierungssatz
Ebenso wie die Entsenderegelung aufgrund Art 81 der EWG-Verordnung Nr 1408/71 (juris: EWGV 1408/71) iVm der EWG-Verordnung 574/72 (juris: EWGV 574/72) bezweckt das deutsch-polnische Entsendeabkommen von 1973 (juris: SVAbk POL) eine Annäherung der Vertragsstaaten. Um deren gegenseitige Durchdringung auf arbeitsmäßigem und technischem Gebiet zu erreichen ist wirksam zwischenstaatlich vereinbart, dass entsandte Arbeitnehmer nur einem einzigen System der Sozialversicherung unterliegen, also nur nach einem Sicherungssystem Beiträge zu zahlen haben und auch nur nach diesem Leistungsanspruch erwerben. Diese Ausnahme vom Territorialprinzip bietet den bei der Entsendung Beteiligten Sicherheit auch auf beitragsrechtlichem Gebiet und vereinfacht das Verfahren sowie die Abwicklung der Entsendung.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Februar 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2000 aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Beitragsforderungen aus einer Betriebsprüfung.
1.
Die Klägerin ist ein Bauunternehmen mit Sitz in N.. Im Sommer 1997 erhielt sie den Auftrag der Erweiterung und Sanierung eines Seniorenheimes in W. im Gesamtvolumen von rund 2,5 Mio. DM. Hieraus übertrug sie dem Nachunternehmen Firma O. und G., H., mit Vertrag vom 14.08.1997 das Gewerke "Beton- und Mauerarbeiten" im Volumen von rund 675.000 DM unter Bezugnahme auf Leistungsverzeichnisse, Pläne und detaillierte Baubeschreibungen. Vereinbart war unter anderem, dass die Klägerin ohne Berechnung alle Baumaterialien, Gerüste, Baugeräte und Werkzeuge stellte sowie Fahrzeuge für Personalfahrten bis zu 100 km täglich.
Die Nachunternehmerin wiederum übertrug diese Beton- und Mauerarbeiten der Subunternehmerin Firma K. mit Sitz in O./O., Polen. Diese setzte dabei in Polen wohnende Arbeitnehmer mit deutschem Reisepass ein, für welche die polnische Verbindungsstelle in Ausführung des deutsch-polnischen Entsendeabkommens Entsendebescheinigungen ausstellte.
2.
Die Sonderprüfgruppe Außendienst-Bau des Arbeitsamtes N. hielt als Ergebnis einer Baustellenkontrolle vom 13.10.1997 sowie von Zeugeneinvernahmen der beschäftigten Arbeitnehmer vom 05.11.1997 fest, dass auf der Baustelle in W. die Arbeitnehmer der Klägerin sowie der Sub-/Nachunternehmer in gemischten Gruppen tätig waren und dass deren Stundenaufzeichnungen von denen der Klägerin erheblich abwichen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin auf der Baustelle 35 polnische Arbeitnehmer wie eigene einsetze. In Ausführung hierzu erließ die Beigeladene zu 3) einen Bußgeld-/Verfallbescheid vom 05.08.1998, welcher dem vor Ort tätigen Bauleiter, dem Zeugen L. eine Geldbuße in Höhe von DM 20.000 sowie der Klägerin einen Verfallsbetrag von DM 46.000 auferlegte. Bei dem Bauvorhaben hätten die eingesetzten polnischen Arbeitnehmer fachliche Weisungen und Arbeitsvorgaben ausschließlich durch die Beschäftigten der Klägerin erhalten. Diese hätten die Verrichtung der Arbeiten auch laufend kontrolliert und überwacht und die Klägerin habe sämtliches Werkzeug, Kleinwerkzeug und Arbeitsmaterial gestellt. Die zur Vergütung berechneten Maße seien nur zum Scheine angegeben worden, tatsächlich bestehe eine deutliche Differenz zwischen den beauftragten und den abgerechneten Arbeiten. Dieser Bescheid wurde nach Tätigwerden des Klägerbevollmächtigten im Einverständnis der Beteiligten aufgehoben und absprachegemäß allein ein Verfallsbescheid gegenüber der Klägerin in Höhe von DM 40.000 bei Rechtsmittelverzicht erlassen.
3.
In Auswertung der Ermittlungsunterlagen machte die Beklagte nach Anhörung mit Bescheid vom 06.10.1999 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von DM 168.694,20 zuzüglich Säumniszuschläge von DM 30.592,00 geltend. Nach den Ermittlungen der Beigeladenen zu 3) im Bußgeldverfahren habe die Klägerin auf der Baustelle in W. die Arbeitnehmer der polnischen Firma K. wie eigene eingesetzt unter Vermischung der eigenen Beschäftigten mit denen der Sub-/Nachunternehmerin. Diese hätten dem Weisungsrecht der Klägerin unterstanden und seien somit faktisch als eigene Arbeitnehmer eingesetzt worden. Vom 25.08.1997 bis 31.01.1998 sei der Tatbestand der faktischen Arbeitnehmerüberlassung erfüllt. Weil die dafür erforderliche Erlaubnis nicht bestanden habe, seien die Verträge zwischen Verleiher und Entleiher sowie zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam mit der Folge, dass Arbeitsverhältnisse zwischen der Klägerin und den Bauarbeitern aus Polen zustande gekommen seien. Hierfür müsse die Klägerin die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachentrichten.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, tatsächlich habe...