Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Bestimmung der angemessenen Größe eines selbstgenutzten Eigenheims
Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung der angemessenen Größe eines selbstgenutzten Hauses gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist kein pauschaler Abschlag von 10 % gemäß § 44 Abs. 3 Nr. 1 II. BV (Zweite Berechnungsverordnung) vorzunehmen. Die II. BV dient der Wohnungsbauförderung und hat daher eine andere Zielsetzung als das SGB II.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2014 wird zurückgewiesen, soweit das Urteil den Leistungszeitraum 1. Mai 2013 bis 31. Oktober 2013 betrifft.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Mai bis Oktober 2013.
Der 1960 geborene Kläger erhielt vom Jobcenter Landkreis R. seit 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Diese wurden ihm dort zuletzt wegen einer zu erwartenden Erbschaft von seinem Bruder auf Darlehensbasis bewilligt (Bescheide vom 26.05.2011 und vom 18.11.2011).
Aus der Erbschaft seiner in S. verstorbenen Mutter erhielt der Kläger insgesamt 76.602,37 €. Auf seinem Konto gingen am 02.09.2011 29.401,39 € ein, am 12.10.2011 9.019,37 €, am 26.01.2012 32.875,87 € und am 23.03.2012 5.305,74 €. Mit den Zahlungen aus der Erbschaft und mit Hilfe eines bei der Raiffeisenbank aufgenommenen Kredits kaufte der Kläger im Oktober 2011 das von ihm dann auch bewohnte Einfamilienhaus in A-Stadt. Die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 85.000 € an den Verkäufer erfolgte am 31.10.2011. Der Kläger wurde am 19.12.2011 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück lasten laut Grundbuchauszug vom Januar 2014 eine Grundschuld zugunsten der Raiffeisenbank (45.000 €, Oktober 2011), Grundschulden zugunsten des Beklagten (8.000 €, November 2012; 2.000 €, November 2013) und eine Grundschuld zugunsten der Agentur für Arbeit R./ Landkreis R. (6.017,12 €, Januar 2014). Am 26.03.2012 überwies der Kläger 4000 € auf das Kreditkonto bei der Raiffeisenbank (Nr. xxx) mit dem Betreff Sondertilgung.
Nach seinem Umzug nach A-Stadt am 29.03.2012 stellte der Kläger beim Beklagten am 26.04.2012 Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Als Vermögen benannte er ein Sparbuch mit einem Betrag von 630 €, einen Passat Kombi mit einem Kilometerstand von 243.000 km und sein Haus auf einem 987 qm großen Grundstück. In der Anlage KdU gab er die Wohnfläche des Hauses mit 117,03 qm an. Dieser Wert ergibt sich aus den Verkaufsunterlagen, wonach das Erdgeschoß eine Wohnfläche von 51,74 qm und das Obergeschoß eine Wohnfläche von 65,29 qm haben.
Für den Zeitraum Mai bis Oktober 2012 bewilligte der Beklagte vorläufig und darlehensweise Leistungen in Höhe von monatlich 458,46 € und erklärte, dass die Hilfe vorübergehend darlehensweise erfolgen könne, da die sofortige Verwertung der unangemessen großen Immobilie nicht möglich sei. Für den Zeitraum November 2012 bis April 2013 bewilligte der Beklagte erneut vorläufig und darlehensweise Leistungen nach dem SGB II. Mit dem Ziel, die Leistungen als Zuschuss zu erhalten, wurde dagegen Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben (Az. S 7 AS 213/13).
Der Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen vom 14.03.2013 wurde mit dem streitigen Bescheid vom 18.03.2013 abgelehnt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Immobilie für einen Ein-Personen-Haushalt nicht angemessen sei. Die Leistung sei bereits seit zwölf Monaten darlehensweise bewilligt worden. Trotz der Hinweise in den Bewilligungsbescheiden vom 04.06.2012 und vom 22.11.2012 sowie im Schreiben vom 23.01.2013 habe der Kläger keine Verkaufsbemühungen bezüglich seiner Immobilie vorgelegt bzw. einen Makler mit dem Verkauf der Immobilie beauftragt. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2013 zurückgewiesen. Auch den Folgeantrag vom 22.10.2013 für die Zeit ab November 2013 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2013 ab.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.06.2013 hat der Kläger am 27.06.2013 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben (S 7 AS 336/13) und vorgebracht, dass es sich bei dem von ihm bewohnten Hausgrundstück um Schonvermögen handele. Unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und der Wohnflächenberechnung nach der Wohnflächenverordnung halte sich das Eigenheim im Rahmen des grundsicherungsrechtlich Angemessenen. Im Übrigen würde sich zumindest die Frage nach dem Vorliegen einer besonderen Härte stellen, nachdem der Kläger glaubhaft angebe, beim Jobcenter erfolglos um Beratung gebeten zu haben, welche legalen Investitionsmöglichkeiten er als Empfänger von Arbeitslosengeld II im Fall einer Erbschaft habe. Der pauschale Verweis darauf, die Erbschaft für den Lebensunterhalt ausgeben zu müssen, erscheine im Hinblick auf den Verteilzeitraum von ...