Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung offener Beitragsansprüche gegen laufende Geldleistungen. Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Altersrente unterfällt nur mit dem pfändbaren Anteil dem Insolvenzverfahren.

2. Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle und die Verrechnungsmöglichkeit nach den §§ 52, 51 Abs 2 SGB 1 schließen sich nicht gegenseitig aus.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte offene Beitragsforderungen der Beigeladenen gegen den Kläger mit dessen Altersrente verrechnen kann.

Der 1928 geborene Kläger bezieht seit 1993 Regelaltersrente. In der Zeit zwischen 2003 bis 2007 betrug die Rente monatlich 1.266,17 € (jeweils ohne Krankenversicherungszuschuss), von 2007 bis 2008 1.272,95 €, von 2008 bis 2009 1.287,00 € sowie ab Juli 2009 1.318,01 €. Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 02.02.2005 wurde über das Vermögen des Klägers als Inhaber der Fa. A. Garten- und Landschaftsbau in A-Stadt das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt M. W. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 06.06.2005 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der Kläger ihr in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle nach § 28h Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) noch Sozialversicherungsbeiträge schulde. Es werde um Vormerkung einer Verrechnung nach § 52 i.V.m. § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bzw. § 24 SGB IV gebeten. Mit Schreiben vom 07.07.2005 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass das Verrechnungsersuchen vorgemerkt sei und der Kläger bereits Rente beziehe. Die Beigeladene teilte daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2005 mit, dass der Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 inklusive Nebenforderungen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 76.103,81 € schulde. Es werde ersucht, im Rentenversicherungskonto des Klägers eine entsprechende Vormerkung zu treffen und die Beklagte werde ermächtigt, die Forderung im Falle des Leistungsbezuges mit den Ansprüchen des Schuldners zu verrechnen. Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 02.08.2005 zur geplanten Verrechnung an. Am 19.08.2005 übersandte der Kläger eine Bestätigung des Sozialamtes der Stadt N., wonach der sozialhilferechtliche Bedarf monatlich 1.410,10 € betrage, wobei in die Bedarfsgemeinschaft sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau eingerechnet waren. Ferner wies der Kläger darauf hin, dass er und seine Ehefrau zahlreiche Medikamente benötigen würden und auch ansonsten weitergehende Zahlungen zu bestreiten hätten. Zum Nachweis fügte er eine handschriftlich erstellte Liste seiner Ausgaben bei.

Die Beklagte verrechnete daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.09.2005 die Altersrente des Klägers mit der offenen Beitragsforderung der Beigeladenen für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 in Höhe von 76.103,81 € in Höhe von monatlich laufend 400,00 €. Durch die Verrechnung trete keine Hilfebedürftigkeit i.S. der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein.

Hiergegen legte der Kläger am 30.09.2005 Widerspruch ein, der durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 10.11.2005 begründet wurde. Es werde um Darlegung gebeten, wie sich der Betrag von 76.103,81 € berechne. Der Kläger versichere glaubhaft, dass von keinem Sozialversicherungsträger ein Bescheid in dieser Größenordnung zugestellt worden sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 29.11.2005 mit, dass der Kläger Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 in Höhe von 69.539,81 € inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 6.564,00 € schulde, mithin insgesamt in Höhe von 76.103,81 €. Seit dem 16.11.2005 fielen noch laufende Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV an. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.09.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 als unbegründet zurück. Die Beitragsforderung der Beigeladenen resultiere aus der Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 und beinhalte entsprechende Säumniszuschläge. Die Beiträge würden jeweils am 15. des Monats fällig, der dem jeweiligen Beitragsmonat folge. Die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge seien nach Angaben der Beigeladenen vom 29.11.2005 dem Kläger gegenüber in Form von monatlichen Mahnungen geltend gemacht worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.01.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die unter dem Az. S 17 R 4045/06 ER geführt wurde. Der Kläger machte geltend, dass das Insolvenzverfahren bereits am 02.02.2005 eröffnet worden sei und die Beklagte durch die Verrechnung gegen § 96 Nr 2 Insolvenzordnung (InsO) und § 80 InsO verstoße. Ferner fehle ein Nachweis der Beitragsforderungen. Der Kläger sei des Weiteren aus gesundheitlichen Gründen dringend auf die Re...

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