Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Werkstatt für behinderte Menschen. Eingangsverfahren. Berufsbildungsbereich. Mindestmaß. wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung. Prognose. Autismus. Engmaschige Betreuung. Personelle Ausstattung des Maßnahmeträgers. Sachleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

Steht von vornherein fest, dass der Betroffene – auch nach Teilnahme am Eingangsverfahren und nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs – die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen nicht erfüllen wird, hat er keinen Anspruch auf Förderung nach dem SGB III. Abzustellen ist dabei auf die konkreten Verhältnisse bei dem in Aussicht genommenen Maßnahmenträger, insbesondere auf dessen personelle Ausstattung.

 

Normenkette

SGB III § 97 Abs. 1, §§ 98, 102 Abs. 2, § 109 Abs. 1 S. 2; SGB IX §§ 136, 40 Abs. 1 Nr. 1; UN-BRK Art. 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1; GG Art. 59 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.07.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Kläger begehrt die Aufnahme in das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Lebenshilfe A-Stadt.

Am 27.03.2009 beantragte der Kläger, der an einer leichten Intelligenzminderung mit autistischen Zügen (DD: frühkindlicher Autismus) leidet, bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er wünsche die Aufnahme in das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich einer WfbM. Die Lebenshilfe A-Stadt gGmbH (P. Werkstätten) plane eine therapeutische Tagesstätte für Autisten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2009 ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, eine Integration in eine WfbM sei möglich. Dies erfordere lediglich einen höheren Personalaufwand und sei dementsprechend zu überprüfen. Anlässlich eines Praktikums des Klägers in den P. Werkstätten vom 29.06.2009 bis 10.07.2009 erstellte die Einrichtung einen Bericht, ausweislich dessen der Kläger in den Mittagspausen ohne ersichtlichen Grund zu schreien begonnen habe, was zu erheblichen Konflikten mit den in der WfbM beschäftigten Kollegen geführt habe. Trotz des positiven Verlaufes bezüglich der Steigerung der Arbeitsleistung sei eine Aufnahme in die WfbM jedoch unrealistisch, denn der Kläger bedürfe einer intensiven Unterstützung, um eine überforderungsbedingte Selbstgefährdung zu vermeiden, die allenfalls mit einem Personalaufwand von einer Fachkraft für zwei Betreute zu bewältigen sei. Mit der derzeitigen Personalausstattung der WfbM von einer Fachkraft für sechs Betreute könne dies jedoch nicht geleistet werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 zurück. Eine weitergehende personelle Ausstattung der WfbM sei nach geltender Rechtslage nicht vorgesehen. Der Personalschlüssel ergebe sich aus der Werkstättenverordnung (WVO). Ein Anspruch auf Teilhabe bestehe lediglich, soweit Gemeinschafts- und Werkstattfähigkeit vorliege. Um diese im Falle des Klägers zu erreichen, seien medizinische Maßnahmen angebracht.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei werkstatt- und gemeinschaftsfähig. Er benötige lediglich eine engmaschigere Betreuung, als dies die WfbM mit einem Personalschlüssel von einer Fachkraft für sechs Betreute derzeit leisten könne. Er habe als behinderter Mensch jedoch einen Anspruch auf Eingliederung in eine WfbM, den die Beklagte sicherzustellen habe, so dass nicht schematisch auf den Personalschlüssel abzustellen sei. Nach Beiladung der Lebenshilfe A-Stadt gGmbH (P. Werkstätten) hat das SG die Klage abgewiesen. Grundsätzlich sei zwar erst im Eingangsverfahren zu klären, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Bildungsbereich einer WfbM vorlägen. Hiervon könne jedoch abgewichen werden, wenn bereits feststehe, ein Antragsteller werde auch nach einem Eingangsverfahren die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine WfbM nicht erfüllen. Vorliegend habe schon das durchgeführte Praktikum gezeigt, dass der Kläger erst bei einem Personalschlüssel von einer Fachkraft für zwei Betreute eine realistische Chance für eine Eingliederung habe. Maßgeblich abzustellen sei in diesem Zusammenhang allein auf die tatsächlichen Verhältnisse der WfbM. Die Träger dieser Einrichtungen hätten über den Einsatz ihrer personellen und sachlichen Mittel im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben selbst zu entscheiden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es bestehe ein sozialrechtliches Dreiecksverhältnis zwischen ihm, der Beklagten und dem Träger der WfbM als Leistungserbringer. Seine Rechtsbeziehung zur Beklagten sei in diesem Zusammenhang als Sachleistungsverschaffungsverhältnis zu ...

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