Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Erwerbsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Erwerbsfähigkeit

 

Orientierungssatz

Erwerbsfähigkeit ist nicht gegeben bei einer Person, die an einer psychischen Störung (hier: paranoide Persönlichkeitsstörung) leidet, die es ihr unmöglich macht, irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, weil sie außerstande ist, die für eine in einer arbeitsteiligen Berufswelt notwendige Kooperationsfähigkeit zu zeigen, so dass es keine Möglichkeit gibt, sie in einen regulären Arbeitsprozess einzugliedern.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 7a, 8 Abs. 1, § 37 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 28.03.2011 hat.

Der Kläger bezog zunächst ab 01.01.2005 Alg II. Im Hinblick auf das Ergebnis einer ärztlichen Begutachtung (Gutachten des Dr. K. vom 18.07.2006), der Kläger sei erwerbsunfähig iSd § 8 SGB II, hob der Beklagte mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bewilligungsbescheid vom 26.06.2006 (Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006) für die Zeit ab dem 01.10.2006 auf. Nachdem der Kläger in seinem Widerspruch vorgetragen hatte, er sei erwerbsfähig, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 07.11.2006 idF des Bescheides vom 16.11.2006 erneut Alg II bis 31.12.2006. Mit Bescheid vom 28.12.2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.01.2008. Dagegen legte der Kläger - unter Hinweis auf seine Erwerbsfähigkeit - Widerspruch ein. Trotz des Streits um die Erwerbsfähigkeit des Klägers bewilligte der Beklagte dem Kläger schließlich auch für die Leistungszeiträume vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 Alg II (zuletzt mit Bescheid vom 03.03.2008). Einen für die Zeit ab 01.10.2008 gestellten Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2009 unter Hinweis auf ein Gutachten des Dr. H. (Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie) vom 14.07.2008 - welches im Verfahren S 17 AS 20/07 vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) eingeholt worden war und wonach der Kläger wegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (differentialdiagnostisch wegen einer anhaltenden wahnhaften Störung bzw. einer schizotypen Störung) außerstande sei, irgendeine berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben - ab. Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 13 AS 150/09). Nach einem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. O. (Öffentliches Gesundheitswesen) vom 23.06.2010 habe sich gegenüber den im Gutachten von Dr. H. getroffenen Feststellungen keine wesentliche Änderung der psychischen Störung ergeben, insbesondere nachdem der Kläger keine psychiatrische, nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen habe. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.03.2011 abgewiesen und dabei auf das Gutachten von Dr. O. vom 23.09.2005 und das Gutachten von Dr. H. verwiesen, aus denen die Erwerbsminderung folge, die nach dem Gutachten des Dr. O. weiter fortbestehe. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 28.11.2012 zurückgewiesen (L 11 AS 315/11). Einem Anspruch auf Alg II stehe die Erwerbsminderung des Klägers im Hinblick auf dessen psychische Störung entgegen. Diese folge aus den Gutachten der Dr. O., des Dr. H. und des Dr. O. sowie dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung habe machen können. Ein Antrag auf Zulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG) war ohne Erfolg (B 4 AS 86/13 B) geblieben.

Einen erneuten Antrag auf Alg II vom 28.03.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 wiederum mangels Vorliegens der Erwerbsfähigkeit ab. Über den Widerspruch gegen die Ablehnung eines weiteren Antrages auf Alg II vom 11.09.2014 (Bescheid vom 19.09.2014) ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Seit 01.10.2008 (Bescheid des Landratsamtes Nürnberger Land vom 11.11.2008) bezieht der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Gegen die Ablehnung seines Antrages auf Alg II vom 28.03.2011 hat der Kläger Klage zum SG mit dem Antrag erhoben, Alg II ab 18.03.2011 (evtl Schreibfehler, richtig 28.03.2011) zu zahlen. Man müsse sich eingehender mit dem Sachverhalt befassen als in den bisherigen Verfahren. Die Gutachten, auf die sich die bisherigen Entscheidungen stützten, seien unwahr, manipuliert und bestünden aus Vermutungen. Es gebe Widersprüche dahingehend, dass einerseits davon ausgegangen werde, er könne auf dem ersten Arbeitsmarkt keinesfalls mehr eingesetzt werden, an...

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