Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß einer Erstattungsforderung. Unbilligkeit
Orientierungssatz
Zum Nichterlaß einer Erstattungsforderung, soweit der Schuldner es unterlassen hat gegen den Bescheid vorzugehen, mit dem die ratenweise Verrechnung der Erstattungsforderung mit einer Rente (Stundung) festgelegt wurde.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Erlaß einer Forderung in Höhe von 1.107,85 DM streitig.
Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger Forderungen in Höhe von insgesamt 1.107,85 DM, und zwar Erstattungsforderungen aus einem bestandskräftig gewordenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.12.1992 mit einem Anrechnungsbetrag von 998,35 DM, einer Geldbuße in Höhe von 75,00 DM nebst Mahngebühren in Höhe von 29,00 DM und einer weiteren Mahngebühr von 5,50 DM. Der Kläger war mit Schreiben vom 18.01.1993 und 24.03.1994 erneut auf die Forderungen erläuternd hingewiesen worden. Nach seiner Erklärung, weiterhin Einwände zu haben, bekräftigte die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.1994 unter Hinweis auf die ergangenen bestandskräftigen Bescheide den Erstattungsanspruch (ohne Rechtsmittelbelehrung). Auf Ersuchen der Beklagten wurde mit Bescheid der LVA Rheinland-Pfalz vom 11.04.1995 eine monatliche Verrechnung in Höhe von 50,00 DM monatlich mit der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 719,66 DM festgesetzt.
Am 24.04.1995 beantragte der schwerbehinderte Kläger den Erlaß der Forderung; zu seinen Leiden seien weitere hinzugekommen. Er müsse von 821,66 DM seinen gesamten Lebensunterhalt bestreiten. Er sei auf fremde Hilfe angewiesen.
Mit Bescheid vom 07.08.1995 lehnte die Beklagte den Erlaß der Forderungen ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1997 zurück; den finanziellen Interessen des Klägers sei ausreichend dadurch Rechnung getragen, daß die gegen ihn gerichtete Forderung ratenweise in Höhe von 50,00 DM monatlich gestundet worden sei. Die Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Grenze für eine Verrechnung obliege dem Leistungsträger, hier der LVA Speyer. Die Beklagte könne die Verrechnung nicht einer eigenständigen Prüfung unterziehen.
Gegen den am 19.02.1997 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 06.03.1997 Klage zum Sozialgericht Nürnberg; es bleibe ihm von der EU-Rente nichts zum Leben übrig. Mit Urteil vom 04.06.1997 verurteilte das Sozialgericht Nürnberg die Beklagte, unter Abänderung des Bescheides vom 07.08.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1997 die Rückforderung in Höhe von 1.107,85 DM zu erlassen und den zwischenzeitlich verrechneten Betrag an den Kläger auszukehren. In seiner Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus, daß die Entscheidung über den Erlaßvertrag eine Ermessenentscheidung sei. Das Ermessen habe die Beklagte nur formelhaft ausgeübt. Zuvor habe sie langjährig eine Stundung gewährt. Auch die ratenweise Verrechnung mit der Rente der LVA sei im Rechtssinne als Stundung zu erachten. Die Stundung reiche unter den vorliegenden Umständen indes nicht aus, um der mit der Einziehung der Forderung verbundenen Härte-Rechnung zu tragen. Die Beklagte habe insbesondere nicht berücksichtigt, daß der Kläger wegen seiner vielseitigen und gravierenden Gesundheitsstörungen einen erhöhten Pflegeaufwand habe. Hinzu komme, daß der Kläger nicht durch übermäßiges Verschulden die Überzahlung veranlaßt habe. Eine bessere Leistungsfähigkeit des Klägers sei in keiner Weise zu erwarten. Einer Amputation im Oberschenkel bei Verschlußkrankheit und Diabetes mellitus weise enggradig auf eine weitere Verschlimmerung hin. Auch angesichts seines fortgeschrittenen Alters könne der Kläger erwarten, daß bei fehlender Leistungsfähigkeit ihm wegen der besonderen Umstände seines Falles die Forderung der Bundesanstalt erlassen werde. Aus dem Umstand der tatsächlichen Verrechnung von 50,00 DM monatlich könne nicht gefolgert werden, daß ein Erlaß nicht geboten gewesen sei. Der Kläger sei vielmehr gehalten gewesen, seine Lebensgestaltung in unzumutbarer Weise weiter einzuschränken. Wegen eines Ermessensfehlgebrauches der Beklagten und einer Ermessensreduzierung auf Null könne die Kammer den beantragten Erlaß der Forderung selbst festsetzen.
Gegen das am 03.07.1997 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 01.08.1997 Berufung ein; ein Erlaß komme nach der Rechtsprechung des BSG dann nicht in Betracht, wenn eine Stundung ausreiche, um der mit der Einziehung der Forderung verbundenen "Härte" Rechnung zu tragen. Es entspreche daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich insoweit auch an den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit orientiere, daß der Erlaß nur eine subsidiäre Entscheidungsmöglichkeit sei. Ermessensfehlerfrei sei daher eine Entscheidung, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - die Möglichkeit einer Stundung prüfe und bei deren Vorliegen es zur Ablehnung eines Erlasses komme. Im Falle des Klägers sei eine Stundung der Gestalt mögli...