Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Erklärung zur Gestaltung der Witwenrente nach deren Neuregelung. Folgen einer Verletzung der Aufklärungspflicht des Versicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
I. Der Rentenversicherungsträger hat seine Aufklärungs- und Informationspflicht nch § 13 SGB I gegenüber Versicherten und Rentenempfänger mit ständigem Aufenthalt im Ausland, unter Beachtung spezialgesetzlicher zwischenstaatlicher Regelungen, in der gleichen Art und Weise zu erfüllen, wie gegenüber Betroffenen im Inland.
II. Aus einer Verletzung dieser Pflicht gemäß § 13 SGB I erwächst dem einzelnen Versicherten bzw. Betroffenen grundsätzlich kein im Klagewege verfolgbares Recht auf persönliche Aufklärung.
II. Das Rechtsinstitut des "sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs" ist in aller Regel nicht dafür geeignet, eine nicht erfolgte Erklärung des Versicherten zur Fortgeltung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenen-Rentenrechts gemäß Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG nach dessen Tod zu fingieren.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 18 Abs. 3 Fassung 1985-07-11; SGB VI § 314 Abs. 1, § 46; SGB IV § 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 2; SGB I § 13; SGG §§ 77, 69; SGB X § 12 Abs. 1, § 44 Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte den Witwenrentenanspruch der Klägerin unter Zugrundelegung des am 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts neu festzustellen hat.
Die 1924 in W. geborene Klägerin ist die Witwe des 1907 in S. geborenen und am 08.09.2001 in Bad R. verstorbenen Versicherten H. A.. Die Ehegatten lebten nach ihrer Eheschließung am 28.08.1948 gemeinsam in Österreich. Auf ihren Antrag vom 09.10.2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26.02.2002 ab 01.10.2001 "große Witwenrente". Der Rentenbescheid enthält die Feststellungen und Hinweise, dass die Rente mit Ablauf des Sterbemonats gewährt werde, weil für den Versicherten im Sterbemonat Rente gezahlt worden sei, die Rente unter Beachtung von EU-Vorschriften und zwischenstaatlichen Regelungen und unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin (eigene österreichische Alters- sowie Witwenpension) ermittelt werde. Die zwischenstaatliche Rente in Höhe von 261,37 Euro sei um das anzurechnende Einkommen von 126,77 Euro auf 134,60 Euro zu mindern; dieser Betrag mindere sich nach Ziffer 19 Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit um weitere 76,46 Euro aufgrund der (zeitgleichen) Versicherungsmonate, die in beiden Vertragsstaaten (bei Ermittlung des Rentenanspruchs einerseits und des Pensionsanspruchs andererseits) zu berücksichtigen seien. Für die Zeit ab 01.04.2002 ergebe sich eine monatliche Zahlung in Höhe von 58,14 Euro. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
In der Folgezeit wurde die Witwenrentenhöhe - unter Beachtung der jeweiligen Anrechnungsbestimmungen - mit weiteren (bindenden) Bescheiden angepasst. Mit Schreiben vom 18.09.2007 sowie nachfolgenden schriftlichen Eingaben beanstandete die Klägerin die Ermittlung des Rentenzahlbetrages durch die Beklagte. Am 07.10.2008 beantragte sie schließlich die Neufeststellung der Witwenrente ohne Einkommensanrechnung.
Mit Bescheid vom 13.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2009 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) im Wesentlichen mit der Begründung ab, mit dem ursprünglichen Bescheid vom 26.02.2002 seien die geltenden gesetzlichen Regelungen zutreffend berücksichtigt worden. Denn beide Ehegatten hätten innerhalb der nach Art. 2 § 18 Abs. 3 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) maßgeblichen Frist bis 02.01.1989 nicht übereinstimmend erklärt, dass die am 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden seien. Eine Verletzung der Hinweispflicht (nach § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI -) bzw. der allgemeinen Aufklärungspflicht (im Sinne des § 13 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch - SGB I -) oder Beratungspflicht (nach § 14 SGB I) seitens der Beklagten sei zudem nicht feststellbar.
Die hiergegen am 20.04.2009 erhobene Klage ist damit begründet worden, dass bei rechtzeitiger umfassender Aufklärung sich die Ehegatten - allein aufgrund des erheblichen Altersunterschieds - für die Anwendung des vormals geltenden Hinterbliebenenrentenrechts entschieden hätten. Der Einwand der Beklagten, sie habe durch Musterschreiben an Rentenempfänger und umfassende Öffentlichkeitsarbeit ihrer Aufklärungspflicht genügt, stehe im Widerspruch zu ihren früheren Einlassungen, wonach entsprechende Hinweise an Versicherte in Österreich nicht möglich gewesen seien .
Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat die 2. Kammer des SG Landshut die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2010 abgewiesen. Zur Begründun...