Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. Dienstreise. Tagung. Begleitprogramm. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Workshop Fechten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Aktivität, die im Rahmen einer Tagung einem abgrenzbaren Freizeitprogramm zuzuordnen ist (hier: Teilnahme an einem Workshop Fechten im Rahmen eines sog Sales Meetings), besteht kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung als Beschäftigter.

2. Der innere bzw sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist objektiv zu beurteilen.

3. Tagungsprogrammpunkte, die erkennbar und abgrenzbar vom übrigen Programm der Unterhaltung, Entspannung und Geselligkeit sowie der Auflockerung der Veranstaltung dienen, stehen nicht unter Versicherungsschutz. Dies gilt selbst dann, wenn sie vom Arbeitgeber organisiert und finanziert worden sind und/oder der Arbeitgeber die Teilnahme seiner Mitarbeiter erwartet. Stehen - wie hier - Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang. Es steht einem Arbeitgeber zwar frei, seinen Mitarbeitern entsprechende Veranstaltungen anzubieten; er hat es dadurch jedoch nicht in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch die persönliche Verbundenheit einer Gruppe von Beschäftigten mit dem Unternehmen gestärkt würde.

4. Allein die Tatsache, dass jede gemeinsame Freizeitbeschäftigung mit Kollegen und/oder Vorgesetzten mittelbar auch dem Betriebsklima zu Gute kommt, macht aus der privaten Beschäftigung keine betriebsdienliche.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, § 2 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 611 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen der Klägerin und Berufungsklägerin sowie der Beklagten und Berufungsbeklagten ist streitig, ob es sich bei dem Ereignis vom 1. April 2008 um einen Arbeitsunfall der Klägerin im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) handelt.

Die 1967 geborene Klägerin nahm am 1. April 2008 eine abhängige Beschäftigung als Außendienst-Mitarbeiterin bei der S. Verlags GmbH (Arbeitgeberin) in H-Stadt auf. Die Arbeitgeberin beschäftigt weltweit etwa 15.000 Mitarbeiter. Gleich zu Beginn ihrer Beschäftigung nahm die Klägerin an einem Sales-Meeting teil, das die Arbeitgeberin für die Mitarbeiter aus den Bereichen EMEA (Europe, Middle East and Africa) Sales und Marketing in V., N., veranstaltete. An dem Meeting nahmen Verkaufsmanager, Mitarbeiter aus dem Finanzwesen, S. Distributionscenter und dem S.link Team teil. Das Treffen fand auf Veranlassung und unter Verantwortung der Arbeitgeberin statt und war vom S. Verlag in N. initiiert und organisiert worden. Zur Teilnahme aufgefordert hatte P. C. (Präsident Verkauf), der mit drei anderen Mitgliedern der Unternehmensleitung an dem Meeting teilnahm und zugleich der Vorgesetzte der Klägerin war. Beginn des Sales-Meetings war am 31. März 2008 um ca. 17:00 Uhr mit einem Abendessen; das Ende war am 2. April 2008 um 16:00 Uhr. Alle durch die Veranstaltung anfallenden Kosten wurden von der Arbeitgeberin der Klägerin übernommen. Zur Anzahl der Teilnehmer teilte die Arbeitgeberin im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten mit, es habe sich um insgesamt 43 Teilnehmer gehandelt; in einer beigefügten Teilnehmerliste sind 45 Personen vermerkt. Die Klägerin legte im Berufungsverfahren ihrerseits eine Liste mit 38 Teilnehmern vor und gab an, es habe sich hierbei um die letzte Fassung gehandelt.

Die Agenda der Veranstaltung listete verschiedene Meetings bzw. Besprechungen auf, die sich inhaltlich unmittelbar auf die beruflichen Tätigkeiten der Teilnehmer bezogen (hierzu näher in den Entscheidungsgründen). Zusätzlich enthielt das Programm, welches von der Arbeitgeberin im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden war, für den 1. April 2008 von 15:00 bis 17:00 Uhr den Programmpunkt "Outdoor". Anschließend waren lediglich noch "Drinks & Dinner" vorgesehen. Ein von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegtes Programm unterscheidet sich hiervon insoweit, als der Programmpunkt von 15:00 bis 17:00 Uhr mit "Team Building - Fencing" bezeichnet ist; der anschließende Programmpunkt "Drinks & Dinner" wurde um "Sales Strategy - part 2" ergänzt. Tatsächlich war unter dem Programmpunkt "Outdoor" - in Kooperation mit dem Hotel und einer Event Agentur - einzig ein Workshop "Fechten" organisiert worden. Ein anderer Workshop oder eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen der Veranstaltung wurde den Mitarbeitern nicht angeboten. Die Arbeitgeberin teilte hierzu mit, dass die Teilnehmer des Meetings hätten wählen können, ob sie an dem Workshop te...

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