Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: West-Ost-Ausgleich zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen. Verjährungsfrist und Berechnung des Ausgleichsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausgleichsanspruch zwischen den KÄVen des früheren Bundesgebietes ("West-KÄVen") und den KÄVen des Beitrittsgebiets ("Ost-KÄVen") nach Art. 14 Abs. 1a GKV-SolG unterliegt in entsprechender Anwendung der §§ 45 SGB I und 113 Abs. 1 SGB X einer vierjährigen Verjährungsfrist.
2. Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei einer Gesamtvergütung nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V (idF des GKV-SolG), die sich sowohl aus Kopfpauschalen als auch aus Einzelleistungsvergütungen zusammensetzt.
Orientierungssatz
§ 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes enthält nunmehr eine gesetzliche Definition der Gesamtvergütung und lässt zudem wieder eine Vergütung nach Einzelleistungen auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes zu. Nachdem maßgebend für die Berechnung nach dem Wortlaut des Art. 14a GKV-SolG "die vereinbarten Veränderungsraten je Mitglied im früheren Bundesgebiet" sind, kann hier nur die Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen, mithin die pauschalierte Gesamtvergütung gemeint sein, denn eine auf Grundlage der Einzelleistungsvergütung berechnete Gesamtvergütung ist nicht kalkulierbar bzw. von vornherein nicht bestimmbar, so dass aufgrund der Abhängigkeit von der Leistungsmenge die Vereinbarung einer Veränderungsrate der Vergütungsumme je Mitglied ins Leere ginge.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2015, S 28 KA 296/14, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Auskunfts- und ggf. Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem im Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG - vom 19.12.1998, BGBl I 3853) geregelten Ausgleichsverfahren zwischen den KÄVen des früheren Bundesgebiets ("West-KÄVen") und den KÄVen des Beitrittsgebiets ("Ost-KÄVen"). Die Klägerin begehrt nach Umstellung ihres ursprünglichen Klageantrags Auskunft, ob - und falls ja, in welcher Höhe - im Bereich der Beklagten hinsichtlich der vereinbarten und gezahlten Gesamtvergütungen in den Quartalen 1 bis 4/1999 eine über 1,34 % hinausgehende Veränderungsrate erreicht wurde, begrenzt durch die gem. Art. 18 GKV-SolG festgestellte Veränderungsrate in Höhe von 1,66 %.
Hierzu führte das BSG in seinem Urteil vom 28.08.2013, Az. B 6 KA 41/12 R, juris Rn. 2 aus:
"Mit dem GKV-SolG verfolgte der Gesetzgeber ua das Ziel, die Finanzierungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung dauerhaft zu stabilisieren und einen weiteren Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge zu stoppen (FraktE GKV-SolG, BT-Drucks 14/24, S 1). Hierzu wurden u.a. nach Art 14 Abs. 1 GKV-SolG die nach § 85 Abs. 3 SGB V zu vereinbarenden Veränderungen der Gesamtvergütungen der Vertragsärzte auf die nach Art 18 GKV-SolG durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) festzustellende Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen begrenzt. Ferner wurde während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. BT-Drucks 14/157 S. 23) ein Abs. 1a in Art. 14 GKV-SolG aufgenommen, welcher für den Fall unterschiedlich hoher Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen in den Bereichen der West- und der Ost-KÄVen ein Ausgleichsverfahren vorsah, durch welches sichergestellt werden sollte, dass sich die Entwicklung der Gesamtvergütungen im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet an der durchschnittlichen bundesweiten Steigerungsrate orientierte."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) erließ gemäß Art. 14 Abs. 1a Satz 2 GKV-SolG Richtlinien, welche insbesondere Regelungen zur Berechnung des Ausgleichsbetrages vorsahen (KÄBV-RL, in der zuletzt durch Vorstandsbeschluss vom 09.03.2000 geänderten 4. Fassung). Zudem erließ sie gegenüber allen West-KÄVen Bescheide über ihre jeweiligen Zahlungsverpflichtungen; gegenüber den einzelnen Ost-KÄVen setzte sie in Bescheiden deren Zahlungsansprüche fest.
So erließ die KÄBV am 31.01.2001 gegenüber der Beklagten einen Bescheid zur "Ermittlung des Ausgleichsbetrages West-Ost Transfer 1999", mit dem der von der Beklagten zu zahlende Ausgleichsbetrag auf 39.545.105 DM festgesetzt wurde. Da bereits ein Betrag iHv. 19.772.552 DM gezahlt worden sei, sei von der Beklagten nunmehr noch ein Ausgleichsbetrag iHv. 19.772.553 DM zu zahlen. Den Widerspruch der Beklagten wies die KÄBV mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2001 zurück. Hiergegen erhob die Beklagte am 14.11.2001 Klage zum Sozialgericht Köln (Az. S 19 KA 101/01).
Auch die Klägerin und die übrigen Ost-KÄVen legten Widerspruch gegen die gegenüber ihnen am 31.01.2001 ergangenen Bescheide der KÄBV ein, da sie die Auffassung vertraten, dass die Ausgleichsbeträge von sechs Kassenärztlichen Vereini...