Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Voraussetzung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Beurteilung der Ursächlichkeit eines Unfallereignisses für einen Gesundheitsschaden bei einem Vorschaden
Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung eines Arbeitsunfalls setzt einen durch den Unfall wesentlich (mit )verursachten Gesundheitserstschaden voraus.
Zur Abgrenzung der wesentlichen Teilursache von einer bloßen Gelegenheitsursache bei dokumentierten Vorschäden.
Orientierungssatz
Einzelfall zur Beurteilung der Ursächlichkeit eines Unfallereignisses für einen Gesundheitsschaden bei einem Vorschaden (hier: Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis für einen isolierten Innenmeniskusschaden verneint).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 04. Mai 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2010 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 25. März 2010 ein Arbeitsunfall ist.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 25.03.2010 als Arbeitsunfall hat.
Der 1961 geborene Kläger stellte sich am 25.03.2010 gegen 21.00 Uhr in der Notfallambulanz der Klinik B-Stadt bei Dr. C. vor. Geschildert wird im Durchgangsarztbericht (D-Arzt-Bericht) vom 26.03.2010, der Kläger habe sich am 25.03.2010 gegen 17.00 Uhr bei Stallarbeiten auf der Stelle umgedreht und dabei einen stechenden Schmerz im rechten Knie verspürt. In der Folgezeit sei das Knie zunehmend angeschwollen.
Das Knie zeigte laut D-Arztbericht keine äußeren Verletzungen oder Hämatome bei deutlichem Druckschmerz über dem medialen Kniegelenkspalt mit Überstreckschmerz, Innenrotationsschmerz des Unterschenkels und deutlichem intraartikulären Erguss. Der mediale Bandhalt war im Vergleich zur Gegenseite geringfügig gelockert; die Kniegelenksbeweglichkeit war deutlich eingeschränkt. Die Kniegelenkspunktion ergab einen klaren, serösen Reizerguss. Das Röntgenbild des rechten Knies zeigte keine knöchernen Verletzungen. Als Erstdiagnose wurde ein Reizerguss des rechten Knies bei Verdacht auf Innenmeniskusläsion genannt. Weiter wurde im Bericht ausgeführt, dass dem Hergang, wie geschildert, nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zukomme; eine Heilbehandlung zu Lasten der Unfallversicherung werde nicht durchgeführt.
Am 31.03.2010 stellte sich der Kläger erneut in der Klinik B-Stadt vor; im Arztbrief vom 01.04.2010 wird als Diagnose eine Kniegelenksdistorsion rechts mit hochgradigem Verdacht auf Innenmeniskusruptur genannt; es bestehe Indikation zur arthroskopischen Abklärung und Meniskussanierung.
Am 04.04.2010 wurde im Klinikum M. bei Reizerguss eine Arthroskopie durchgeführt, mit subtotaler Innenmeniskushinterhornresektion und Hoffa- sowie Plicareduktion wegen rezidivierender Einklemmung bei Lappenriss des Innenmeniskushinterhorns und wegen des konsekutiven femoro-tibialen Knorpelschadens. Laut Operationsbericht entleerte sich klar seröse Kniegelenkflüssigkeit. Neben einem fransig aufgebrauchten Lappenriss im Hinterhornbereich zeigte sich im Bereich der Femurcondyle und des Tibiaplateaus eine kleine kraterförmige Knorpelläsion Grad 2, laut Operationsbericht sicher hervorgerufen durch wiederholte Einklemmungen. Die Knorpelverhältnisse lateral an Femur und Tibia sowie der Außenmeniskus waren unauffällig. Laut Pathologiebefund vom 08.04.2010 über das am 06.04.2010 eingegangenes Material bestand eine hochgradige chronische Meniskopathie im Innenmeniskus des Kniegelenks.
Aufgrund des Verdachts eines Kniegelenksinfekts wurde im Klinikum M. am 09.04.2010 eine Re-Arthroskopie am rechten Kniegelenk sowie am 16.04.2010 eine offene Arthrotomie und Synovektomie (Entfernung von Gelenkinnenhaut) vorgenommen. Nach Bericht der Chirurgischen Klinik M. vom 30.04.2010 ergab ein Abstrich vom 04.04.2010 bei erstmaliger Arthroskopie aus dem Reizerguss den Keim Staphylococcus aureus; laut Histologiebefund vom 22.04.2010 bestand eine fibrinös-eitrige Synovialitis. Nach der dritten Operation am 16.04.2010 hätten sich reizlose Wundverhältnisse gezeigt mit unauffälligem abschließenden Röntgenbefund. Bei Entlassung betrug die Kniegelenksbeweglichkeit 40-10-0°.
Die Klägerbevollmächtigte wies mit Schreiben vom 06.05.2010 darauf hin, dass sich der Kläger im Rahmen der Geburtshilfe bei einer Kuh den Fuß verdreht habe und unter starken Beeinträchtigungen bei Kniebeugung leide.
Mit Bescheid vom 26.05.2010 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Ereignisses vom 25.03.2010 ab, weil ein Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht vorgelegen habe. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen komme die Beklagte zu dem Ergebnis, dass das angeschuldigte Ereignis allenfalls zu einer leichten Verdrehung des rechten Kniegelenks geführt habe, aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichke...