Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress. Ney Tumorin. Organhydrolysate. Arzneimittel. Homöopathika. Neue Behandlungsmethode. Zulassung. Bundesausschuss. Richtlinien. Normsetzungsbefugnis. Wirtschaftlichkeit. Negativliste. Präparateübersichtsliste. Schützenswertes Vertrauen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bis zum 31.12.2003 konnte ein Arzneimittel unter Hinweis auf seine Unwirtschaftlichkeit (infolge nicht erforderlicher Bestandteile, fehlendem therapeutischen Nutzen oder fehlender Möglichkeit der Beurteilung wegen einer Vielzahl enthaltener Stoffe) nur gem. § 34 Abs. 3 SGB V vom Verordnungsgeber ausgeschlossen werden. Für einen Ausschluss aus sonstigen Wirtschaftlichkeitserwägungen war hingegen der Bundesausschuss zuständig.

2. Das Medikament “Ney Tumorin” unterfällt dem Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 3 SGB V.

3. Ein Vertragsarzt kann sich gegenüber einer Regressforderung nicht darauf berufen, das von ihm verordnete, aber gem. § 34 Abs. 3 SGB V von der Verordnung ausgeschlossene Arzneimittel sei auf der Präparateübersichtsliste nach § 93 SGB V nicht erwähnt.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; SGB V § 31 Abs. 1, § 34 Abs. 3-4, § 92 Abs. 1, § 93; AMG § 25 Abs. 2 Nr. 4; AMUWV § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, §§ 3-4

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2003 bezüglich des Arzneimittelregresses im Quartal 4/98 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses, der das im 4. Quartal 1998 verordnete Arzneimittel "Ney Tumorin" betrifft.

Die Kläger sind als Allgemeinarzt und praktischer Arzt vertragsärztlich tätig. Sie verordneten im Quartal 4/98 dem bei der beigeladenen AOK Bayern versicherten Patienten S. das Medikament Ney Tumorin.

In der "Roten Liste" (1998) ist Ney Tumorin unter der Nr.86129 in Abschnitt 1 C.2.2 gelistet (Cytostatika und Metastasenhemmer/Organpräparate/Kombinationen).

Nach den dortigen, auf den Herstellerangaben beruhenden Angaben enthält eine Ampulle 15 g eine Mischung nach Proteingehalt standardisierter, molekularer, volllöslicher Organlysate aus tierischem Gewebe (Spezies Rind), nämlich - bezogen auf 1 g folgender Standardmischung - Diencephalon 0,05 g, Placenta matern. 0,1 g, Funiculus umbilical. 0,1 g, Thymus juvenil. 0,1 g, Epiphysis 0,1 g, Testes juvenil. 0,02 g, Gland. suprarenal. 0,05 g, Gland. thyreodea, 0,05 g, Medulla oss. 0,05 g, Pulmo 0,05 g, Hepar 0,1 g, Pankreas 0,1 g, Ren 0,3 g, Lien 0,05 g, Mucosa intestinal. 0,05 g (Rote Liste 1998).

Mit dem am 16. September 1999 eingegangen Antrag beantragte die AOK Bayern die Festsetzung eines Arzneimittelregresses wegen fehlender Verordnungsfähigkeit u.a. dieses Medikaments. Soweit der Prüfantrag auch die Festsetzung eines Regresses bezüglich anderer Arzneimittel vorsah, ist das Verfahren auf Verwaltungsebene vergleichsweise beendet worden. Im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss Ärzte-Mittelfranken legten die Kläger ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 10. Mai 1999 vor. Dort wird ausgeführt, dass nach § 2 Abs.1 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung Arzneimittel mit mehr als drei arzneilich wirksamen Bestandteilen ausgeschlossen seien, sofern es sich nicht um rein homöopathische Zubereitungen handele. Unter Berücksichtigung der Eigenschaft "homöopathisch" sei Ney Tumorin auf Kassenrezept verordnungsfähig. Die Kläger tragen vor, dass das Medikament Ney Tumorin u.a. einem Patienten verordnet worden sei, bei dem die Diagnose einer Lebermetastase bei Chemotherapieserien zu stellen gewesen sei.

Der Prüfungsausschuss Ärzte-Mittelfranken regressierte mit Bescheid vom 20. April 2000 gestützt auf Ziffer 17.1 m Arzneimittelrichtlinien (AMR) die der Beigeladenen entstandenen Kosten des Arzneimittels.

Mit Bescheid vom 13. August 2001 bestätigte der Beschwerdeausschuss Ärzte-Mittelfranken insoweit die vorgängige Entscheidung des Prüfungsausschusses (Regressbetrag 5.425,21 DM = 2.770,87 EUR). Der Regress wurde ebenfalls auf Ziffer 17.1 m AMR (Organhydrolysat) gestützt.

Dagegen haben die Kläger das Sozialgericht München angerufen. Im Klageverfahren ist klargestellt worden, dass sowohl Dr. P. als auch Herr W. Klageparteien seien. Die Klägerbevollmächtigten haben ein Schreiben der Firma V. Arzneimittel GmbH vom 14. Januar 2003 in Vorlage gebracht, in welchem die Herstellerfirma bestätigt, dass das Präparat nach Proteingehalt standardisiert sei.

Mit Urteil vom 15. Januar 2003 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Das Gericht hat den Verordnungsausschluss der Ziffer 17.1 m als gegeben angesehen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayer. Landessozialgericht. Erneut wird vorgetragen, dass es sich bei dem Medikament um kein Organhydrolysat handele, weil der Begriff auch nach der Interpretation des Bundesausschusses...

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